ReBlog: VORSICHT, ERDBEEREN!

Ludger Weß (Facebook-Profilbild)
Ludger Weß (Facebook-Profilbild)

Dieser Artikel stammt von Blogger Ludger Weß* (Link). Inspiriert von Bauer Willis Blogpost zu “Cyanidin in Erdbeeren“, stellt er mit Schrecken fest, dass Bauer Willi das ganze Ausmaß der Gefahr durch Erdbeeren nur gestreift hat:

Die Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen hat Glyphosat in der Muttermilch nachweisen lassen. Die Nachweismethode ist zwar ungeeignet, operiert an der technischen Nachweisgrenze und für die insgesamt 16 (!) Messwerte fehlen Kontrollen und elementare Statistik, aber die Verunsicherung ist gelungen, zumal auch Nachrichtenagenturen und Fernsehsender den Inhalt der Pressemeldung der Grünen unkritisch weiter verbreiteten. Stillende Mütter haben Angst, obwohl sich mit Grundkenntnissen der Mathematik (Dreisatz) nachrechnen lässt, dass ein Säugling mehrere Tausend Liter Muttermilch am Tag zu sich nehmen müsste, um auch nur in die Nähe des zulässigen Grenzwerts für Nahrungsmittel zu kommen (der in Deutschland zu den strengsten der Welt gehört). Näheres dazu findet sich im Tagesspiegel oder in dem offenen Brief der Initiative Stallbesuch. Auch die Zeitschrift The European geht mit der Verunsicherungskampagne der Grünen Bundestagsfraktion hart ins Gericht.

Hoffen wir, dass die stillenden Mütter keinen Kaffee trinken, auf Alkohol verzichten und auch nicht rauchen. Sie sollten aber auch kein Obst essen, schon gar nicht die gerade so beliebten Erdbeeren.

In der Erdbeere (auch in der Bio-Erdbeere!) finden sich nämlich allerlei organische Verbindungen, Farb- und Konservierungsstoffe, die der Chemielehrer James Kennedy hier zusammengestellt hat. Dazu zählen zunächst die viel diskutierten E-Zusatzstoffe: E210 (Benzoesäure), E236 (Methansäure), E296 (2-Hydroxybernsteinsäure), E300 (Ascorbinsäure) und E161d (Rubixanthin). E296 muss nach der EU-Gefahrstoffverordnung als „reizend“ gekennzeichnet werden: „Reizt die Atmungsorgane und die Haut“ – „Gefahr ernster Augenschäden“.

Vor E210 warnt die Grüne Hochschulgruppe Göttingen: „Hohe Giftigkeit, führt zu Allergien, Asthma, Nesselsucht, kann in hohen Dosen epileptische Anfälle verursachen, in Gegenwart von Ascorbinsäure (E300) entsteht das krebserregende Benzol.“ E300 enthält die Erdbeere selbstverständlich auch. Die Chemikalie ist Laien unter der verharmlosenden Bezeichnung Vitamin C bekannt.

Damit nicht genug: Das in der Erdbeere ebenfalls vorhandene Furaneol gilt als gesundheitsschädlich beim Verschlucken. Beim Umgang mit der Chemikalie muss Schutzkleidung getragen werden. Beim Furfuran kommt es noch schlimmer: „Bei Verschlucken sofort Giftinformationszentrum oder Arzt anrufen“, heißt es auf den Sicherheitshinweisen für Menschen, die mit dem Stoff Umgang haben. Aber damit nicht genug: Furfuran gilt als krebserregend, ebenso wie das ebenfalls in der Erdbeere vorhandene Hydroxymethylfurfural.

So geht es munter weiter: Das in den Erdbeeren enthaltene Limonen ist „schädlich für Wasserorganismen und kann in Gewässern längerfristig schädliche Wirkungen haben“, an der Luft oxidiert es zu Abbauprodukten, die Allergien auslösen können.

Bei Linalool besteht der Verdacht, dass es das Erbgut schädigen könnte, Methanthiol ist umweltgefährdend, Geraniol gehört zu den 26 Duftstoffen, die seit 2005 in der EU zum Schutz von Duftstoffallergikern in der INCI-Deklaration gelistet werden müssen.

Nach den Vorsorgeprinzip, das Grüne und Umweltschutzorganisationen so gern bemühen, müsste jetzt eigentlich ein bundesweiter Verkaufsstopp für Erdbeeren ausgerufen werden, da nicht geklärt ist, welche Auswirkungen diese Giftstoffe auf den menschliche Körper haben. Völlig unbekannt ist vor allem die Kombinationswirkung dieser erschreckenden Vielfalt von Giftstoffen. Jedem Chemiker stehen angesichts der möglichen komplexen Wechselwirkungen der Einzelbestandteile dieses Giftcocktails untereinander und im sauren Milieu des menschlichen Verdauungstrakts die Haare zu Berge!

Die Erdbeere ist dabei nur eines unter vielen Beispielen. Zahlreiche Obst- und Gemüsesorten – von der Kartoffel über Kohlsorten und Bohnen bis zu Himbeeren und Äpfeln – enthalten eine Mischung krebserregender, hormonell wirkender, umweltschädlicher und fruchtschädigender Giftstoffe. Bedenkt man dann noch die Gefährlichkeit des Grillens, bei dem regelmäßig nicht nur krebserregende Stoffe wie Acrylamid und 3,4-Benzpyren, sondern auch das „Ultragift“ Dioxin entsteht (von der schädlichen Wirkung des Alkohols ganz zu schweigen), ist damit zu rechnen, dass die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland am Ende des Sommers dramatisch dezimiert sein wird. Und die Bundesregierung schaut mal wieder tatenlos zu!


* Ludger Weß studierte Biologie und Chemie und arbeitete vor seiner Tätigkeit als Wissenschaftsjournalist als Molekularbiologe an der Universität Bremen. Er schreibt seit den 1980er Jahren regelmäßig über wissenschaftliche, ökonomische, historische, rechtliche und ethische Aspekte von Wissenschaft und Technik; Schwerpunkte sind Gen- und Biotechnologie. Seine Artikel erschienen im Stern, der Woche und der Financial Times Deutschland ebenso wie in internationalen Fachmedien. Ein Sachbuch zu den Anfängen der Genforschung, Die Träume der Genetik, erschien 1998 in 2. Auflage. 2006 gehörte er zu den Gründern von akampion, das innovative Unternehmen bei ihrer Kommunikation berät. Ludger Weß ist promovierter Wissenschaftshistoriker, Mitglied der National Association of Science Writers und lebt in Hamburg.
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