Selbstjustiz

Bauer_Willi_AusschnittBauer Willi hat den folgenden Artikel geschrieben. Dabei wurde er von einem Kommentar, den ich bei Facebook hinterlassen habe, inspiriert.
Vielen Dank für den Gastbeitrag!

von Bauer Willi

“Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten, wenn da gefilmt wird.”

facebookpost_selbstjustizSo oder ähnliche lauten die Kommentare, wenn wieder einmal über nächtliche Besuche von Tierschützern/rechtlern berichtet wird. Dies Stall”einbrüche” zu nennen ist ja schon kritisch, weil nicht wirklich klar ist, ob dies tatsächlich ein strafbares Delikt ist. Freisprüche hat es in solchen Fällen ja schon gegeben.

Wenn der obige Satz unser Rechtsempfinden darstellt, sind Sie sicher auch mit diesen Maßnahmen einverstanden:

Ich schicke Ihnen einen Trojaner auf den Rechner, der überwacht, ob Sie auch keine Rechtsverletzungen im Netz begehen. Wenn Sie eine weiße Weste haben, dürfte das je kein Problem sein, dann haben Sie nichts zu befürchten. Na ja, und das Sie ab und zu mal Pornofilme anschauen, sagen wir Ihrer Frau auch nicht. Wahrscheinlich. Obwohl, jetzt wo wir es wissen…

Und natürlich schau ich mal unangekündigt und ohne Verdacht bei Ihnen vorbei, ob sich bei Ihnen nicht vielleicht auch Drogen finden lassen. Ich bin nämlich gegen Drogen und die Polizei hat eh keine Zeit. Sie nehmen keine Drogen? Gut, dann haben Sie ja auch nichts zu befürchten.

In Deine Wohnung darf ich doch sicher eine Überwachungskamera einbauen. Mich interessiert halt, ob die Deine Frau schlägst. Ich bin nämlich gegen Gewalt bei Frauen. Und gegen Kinder sowieso. Machst Du nicht? Ja dann haben Sie ja nichts zu befürchten.

Ich schau mir auch Ihre Mülltonnen an. Mach ich nachts, dann kippe ich die aus und schau, ob auch alles richtig sortiert ist. Machen Sie ganz penibel? Wirklich kein Kunststoff und Papier in der Restmülltonne? Kein Plastik zwischen den organischen Abfällen. Ja wenn das so ist, haben Sie nichts zu befürchten. Dann können Sie doch auch nichts dagegen haben.

Sie verstehen, was ich damit sagen will: der Hang in der Gesellschaft, Selbstjustiz als zulässig zu akzeptieren, ist höchst gefährlich! Dass diese Tendenzen besonders bei Tierrechtlern, aber auch gewissen politischen Parteien zu erkennen sind, müsste eigentlich alarmieren.

Ich bin ein ganz normaler Mensch. Ich bin mir absolut sicher, dass ich nicht alles korrekt mache. Bei rund 90 Seiten Cross-Compliance-Regelungen wird ein findiger Mensch sicher etwas finden, wo ich gegen bestehende Regeln verstoße, und wenn es nur der nicht eingehaltene Termin für irgendeine Maßnahme ist. Das kann ich gerne zugeben, weil ich nicht fehlerfrei bin. Ich möchte aber nicht, dass ich jeden Tag mit der Angst leben muss, dass Mitbürger, die dazu definitiv nicht berechtigt sind, meinen Hof, meine Stallungen, meine Werkstatt oder mein Büro durchsuchen. Ich habe kein Problem damit, dies von mir aus anzubieten und stelle mich auch gerne der Kritik, wenn diese Fehler gefunden werden.

Und wozu gibt es amtliche Kontrollinstanzen, wozu Qualitätssicherungssysteme und Audits, wenn die Feststellung von Straftaten Vereinen oder Privatpersonen erlaubt wird?

Es gab mal Zeiten und Regionen in Deutschland, wo die Menschen immer Angst vor Kontrolle und Strafverfolgung hatten…Ist noch nicht so lange her…

7 comments Add yours
  1. Bernhard, die Beschaffung von Informationen auf illegalem Weg sind etwas anderes als Selbstjustiz: “Selbstjustiz bezeichnet die gesetzlich nicht zulässige Vergeltung für erlittenes Unrecht, die ein Betroffener im eigenen Namen selbst übt.” Für eine konstruktive Diskussion solltet Ihr hier nichts vermischen.

    Mich würde interessieren, wie Du und Willi zu den Luxemburg CDs, Panama Papieren usw. steht. Hätten wir darauf verzichten sollen, da es ja amtliche Kontrollen gibt?

    Als tierhaltende Landwirtin möchte auch ich nicht “illegal” besucht werden. Ich bin sicher, dass jeder Tierhalter – die Hobbyhalter eingeschlossen – nie 100%ig korrekt handelt. Außerdem hinterlassen Einbrüche bei vielen Menschen große Ängste.

    Wäre es für Euch eine Alternative, die staatliche Kontrolldichte zu erhöhen, um wie in den Videos gezeigte Bilder in Zukunft zu vermeiden?

    1. Die Vergleiche (Panama-Papers, Steuer-CDs) hinken, weil hier keine Straftat (Hausfriedensbruch) begangen worden ist, um an die Daten zu kommen. Die Daten wurden jeweils von Whistleblowern weitergegeben und zumindest bei den Steuer-CDs mit Bankdaten wurde auch breit diskutiert, ob die Behörden solche nicht-offiziellen Daten überhaupt verwenden dürfen. Der Begriff “Selbstjustiz” trifft hier insofern zu, dass Tierrechtler für sich in Anspruch nehmen, die Arbeit der Aufsichtsbehörden übernehmen zu können. Sie haben aber kein Recht dazu.

      1. Dann sollten die amtlichen Veterinärämter Ihre Arbeit ordnungsgemäß machen und auch Tierärzte Mängel aufzeigen – machen Sie aber in der Regel nicht, wer zeigt schon seine Kunden (Tierhalter) an?

        Wer mag schon Fleisch von kranken, debilen und schlappen Schweinen essen?

  2. Selbstjustiz ist grenzwertig, aber welche Verantwortung und unangekündigten Überprüfungen leisten die amtliche Tierärzte? Wenn diese eine saubere Arbeit machen und schwarze Schafe unter den Tierhaltern Lizenzen entziehen, sind solche Bilder nicht möglich.

    1. Da werden Bauern zu schwarzen Schafen gemacht. Das deutsche Tierschutzbüro oder Freunde von denen sind letztes Jahr im Frühjahr in einen Hühnerstall bei Überlingen eingebrochen, haben ein Huhn in einen Zaun gejagt an den Füßen hängen lassen und solange die Kamera draufgehalten bis es tot war. Die haben dem Bauern Tierquälerei vorgeworfen. Mehrere andere lagen am folgenden Morgen tot im Stall. Es gab ein Gerichtsverfahren, in dem die tierquälenden Tierfreunde verurteilt worden sind. Nachts in einen Hühnerstall einzubrechen ist eigentlich Tierquälerei.

    2. Solche Bilder können sogar entstehen, wenn die Tierärzte zu 120 % korrekt arbeiten. Es kann immer und überall Unfälle geben, es können überall Fehler passieren. Es kommt darauf an, wie oft sie vorkommen und wie man damit umgeht.

      Falls man Fehler vermutet, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Am naheliegendsten wäre es, die übergeordneten Behörden zu informieren. Das Kreisveterinäramt handelt nicht, obwohl es offensichtliche Probleme gibt? Wende dich an das Landesumweltamt (bzw. die sachlich und örtlich zuständige Aufsichtsbehörde in deinem Bundesland). Die können und dürfen dem Kreisveterinäramt bei Bedarf auf die Finger schauen.

      Man kann sich Undercover in eine Fabrik einschleichen und sehen, wie oft es zu solchen Fehler kommt, unter welchen Bedingungen gearbeitet wird, und das dann in die Medien bringen. Damit wurde z.B. Wallraff berühmt, so erschafft man ein umfassendes Bild und kann (meistens gemeinsam mit den Behörden) auch Dinge ändern.

      Man kann es natürlich auch so machen wie Tierrechtsaktivisten: In Ställe einbrechen und die Bilder mit so viel zeitlichem Abstand an Medien übergeben, dass man die Angaben nicht mehr überprüfen kann. Damit macht man Stimmung, deckt aber keine Fehler auf. Man verhärtet nur die Fronten zwischen verschiedenen Gruppen und macht es schwieriger, Dinge zu ändern, weil niemand mehr zu Kompromissen bereit ist.

  3. Die Kommentare zur Selbstjustitz hinken alle ein wenig, da nicht eindeutig festzustellen ist, in wie weit hier diese überhaupt vorliegt. Aber mal was zu den sich berufenen Tierschützern und ihren Gegnern, ich für mein Teil, glaube weder dem einen noch dem anderen ohne einen eigenen Eindruck von der jeweiligen Situation zu haben.
    Deshalb kaufe ich mein Fleisch nur direkt beim Erzeuger und auch nur da, wo es kein Problem darstellt, wenn ich mal in den Stall schauen möchte, ebenso verhält es sich mit vielen frischen Lebensmitteln die ich kaufe, ich bin selbst auf dem Land groß geworden, meine Großeltern hatten eine kleine ökologische Landwirtschaft im Nebenerwerb, auch meine Eltern haben selbst Kleinvieh gehalten und wir haben auch selbst geschlachtet und die Tiere selbst verarbeitet, deshalb nehme ich für mich in Anspruch zu wissen wie man nachhaltig Lebensmittel erzeugt und auch wie man aktiv für eine Tiergerechte Haltung und Aufzucht sorgt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert