Stallbesuch im High-Tech-Land

Eritreische Flüchtlinge besuchen emsländischen Bauernhof

von Dr. Andreas Eiynck*

An diesem leicht verregneten Herbsttag fühlen sich die Legehennen im Betrieb Busmann in Rottum bei Lingen sichtlich wohl. Sie machen reichlich Gebrauch von den ausgedehnten Auslaufflächen, die zudem attraktiv bepflanzt sind und von weitem wie eine Parklandschaft wirken.

Das finden jedenfalls Natsnet Okbeab und Zekarias Weldegebriel aus Eritrea. Vor zwei Jahren fand das Flüchtlingsehepaar Aufnahme in Lingen und besucht heute zum ersten Mal einen emsländischen Bauernhof. Bäuerin Steffi Busmann haben sie bei der Volkshochschule kennengelernt und so wurde spontan ein Stallbesuch verabredet. Mit dabei ist auch ihr Nachbar, Dr. Andreas Eiynck vom Emslandmuseum, mit seiner Tochter Julia.

Aus ihrem Heimatland im Osten Afrikas kennen die beiden Eritreer die typischen Kleinbetriebe mit verschiedenen Sparten unter einem Dach, wie sie bis vor einigen Jahrzehnten auch für das Emsland ganz typisch waren. Aber 26.000 Hühner in einem Stall, wie soll das gehen?

Vor über 10 Jahren hat Friedrich Busmann sich für die Freiland-Legehennenhaltung entschieden und diesen Schritt bis heute nicht bereut. Er und seine Frau Steffi kümmern sich mit zwei weiteren Arbeitskräften darum, dass sich die Hennen rundum wohl fühlen und fleißig Eier legen.

Die rollen an diesem Morgen um Punkt 9 Uhr per Fließband zur Verpackungsanlage. Hier wird automatisch sortiert und aufgeschichtet, gestempelt und gestapelt. Die Gäste aus Eritrea sind beeindruckt. Natsnet stammt von einem kleinen Bauernhof im Dorf Azefa im eritreischen Bergland und hat die Landwirtschaft per Muskelkraft von der Pike auf kennengelernt. Zekarias kommt zwar aus der Stadt, hat aber während seiner Schulzeit in einem Klosterinternat den dortigen Hühnerhof betreut und macht derzeit eine Ausbildung zum Anlagenmechaniker bei der Landmaschinenfabrik Bernard Krone in Spelle.

Beide sind überrascht von dem hohen Stellenwert, den Agrarproduktion und Landwirtschaft im Hochindustrieland Deutschland nach wie vor besitzen. Dass in Europa vieles per Computer und Maschine erfolgt, was in Eritrea noch in mühsamer Handarbeit erledigt wird, haben die beiden längst gemerkt. Und auch, dass in Deutschland alles reglementiert, dokumentiert und kontrolliert wird, geht ihnen allmählich in Fleisch und Blut über. Integration heißt hier zulande immer auch: lernen, mit der Bürokratie umzugehen.

Das High Tech im Agrarbereich und Wohlbefinden der Tiere keinen Wiederspruch bilden, davon kann sich auf dem Betrieb Busmann jeder selber überzeugen. So sind dort regelmäßig Schulklassen zu Gast und können dabei auch die Ställe besuchen und die Tiere kennenlernen. Jogger, Radfahrer und Spaziergänger kommen ohnehin täglich auf den Hof, um sich mit frischen Eiern zu versorgen.

365 Tage im Jahr sorgen Friedrich Busmann und seine Mitstreiter dafür, dass beim Verbraucher gesunde, qualitätvolle und frische Eier aus dem Emsland zu einem akzeptablen Preis auf den Tisch kommen. Auch die Tiere kommen dabei nicht zu kurz. Denn bei Busmann lässt es sich als Legehenne gut leben. Gutes Futter, Wetzsteine für den Schnabel, Beschäftigungsmaterial, reichlich Auslauf und frische Luft lassen kaum Wünsche offen.

Sorge bereitet Friedrich Busmann vielmehr der Mangel an Fachkräften in der Landwirtschaft, denn die sind schon jetzt kaum zu bekommen. Immerhin, zwei seiner vier Kinder haben sich für das Berufsfeld Landwirtschaft entschieden. Die beiden Töchter übrigens – die Söhne haben andere Pläne. Eines der Kinder gegen den Willen zur Hofnachfolge quasi zu überreden, das käme den Eltern nicht in den Sinn. Wer sich für die Tierhaltung entscheidet und dabei erfolgreich sein will, muss dies aus eigenem Antrieb und gerne tun. Das wissen die engagierten Landwirte Steffi und Friedrich Busmann aus der eigenen Berufspraxis ganz genau.


* Dr. Andreas Eiynck ist Leiter des Emslandmuseums in Lingen (Ems) und ist in folgender Ansprache hier im Blog bereits zu lesen:

Ansprache zur Bäuerinnenausstellung

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