“Biobauern schlagen sich besser bei Dürre” – wirklich, Herr Flintz?

Offener Brief zum Kommentar von Detlef Flintz in den Tagesthemen vom 26.7.2018

von Dr. Heike Müller
(Landwirtin und Vizepräsidentin des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern)

Sehr geehrter Herr Flintz,

mit großem Interesse habe ich am 26. Juli Ihren Kommentar in den Tagesthemen verfolgt.
Ich gehöre sowohl zu den von Ihnen gescholtenen Funktionären des Bauernverbandes als auch zu den Bauern in ihrer Gesamtheit, die Ihnen Ihrem Kommentar zufolge leidtun.
Leute wie ich sind es also, die – demokratisch gewählt – uns Ihrer Meinung nach die jetzige Situation eingebrockt haben und die unseren Kollegen weismachen wollen, dass man in der Landwirtschaft so weiterwirtschaften kann wie bisher.

Ja, auch wir Landwirte tragen eine Mitschuld an den Treibhausgasemissionen, ca. 65 Millionen Tonnen der insgesamt in Deutschland ausgestoßenen 905 Millionen Tonnen anthropogener Treibhausgase stammen aus unserer Branche, das sind gigantische 7% (Quelle: https://www.umweltbundesamt.de/…/klimabilanz-2017-emissione…). Niemand bestreitet dies. Die Erzeugung von Lebensmitteln ist immer auch mit Emissionen verbunden.

Aber: gleichzeitig wird in der Land- und Forstwirtschaft auch durch die Photosynthese CO2 gebunden, im Gegensatz zu den anderen großen Emittenten in Energiewirtschaft, Verkehr und Industrie. Dies ist ein Fakt, der gern übersehen wird.

Evolution statt Revolution

Nein, wir „Funktionäre“ haben denjenigen, die uns gewählt haben, noch nie gesagt, dass alles so bleiben soll, wie es ist. Landwirtschaft ist schon immer im Wandel begriffen, genau wie alle anderen Branchen in der Volkswirtschaft. Aber unser Slogan heißt: Evolution statt Revolution. Denn schon immer hat sich die Landwirtschaft auf andere Gegebenheiten, andere gesellschaftliche und natürliche Rahmenbedingungen einstellen müssen. Dabei ist so mancher landwirtschaftliche Betrieb auf der Strecke geblieben. Wachsen oder Weichen, dieses Erfordernis hat sich kein böser geldgieriger Kapitalist ausgedacht, sondern es ist ein ökonomisches Gesetz (und Ihnen als Volkswirt brauche ich das auch eigentlich nicht erzählen). Dieselbe Spezialisierung, die wir woanders in der Wirtschaft beobachten können, wird in der Landwirtschaft mit Argwohn betrachtet und ein Bild idealisiert, wie wir es vor etlichen Jahrzehnten vorfanden.

Sie unterschätzen auch die Landwirte, wenn Sie ihnen unterstellen, sie würden blindlings das vollziehen, was der Verband ihnen rät und dadurch in ihr Verderben rennen. Jeder Landwirt ist in erster Linie allein für seinen Betrieb verantwortlich, und das weiß er auch! Landwirte haben in der Regel eine gute Ausbildung, viele von uns haben studiert, und trotzdem hinterfragen wir ständig unser Tun.

Wir sehen auch, dass es noch viele Baustellen zu beackern gilt, aber die ständig neuen Forderungen der Gesellschaft, die verschlechterten ökonomischen Rahmenbedingungen, die ausufernde Bürokratie und inzwischen auch die mediale Berichterstattung führen dazu, dass so mancher Betriebsleiter das Handtuch wirft und so manches Bauernkind sein Heil lieber in der Landflucht sucht. Die gerade erst in Kraft getretene Düngeverordnung mit ihren Verschärfungen zur Düngung beispielsweise hatte noch nicht einmal ein Jahr Zeit, um zu greifen (und es wird etliche Jahre dauern, bis Resultate sichtbar werden, denn Grundwasser hat ein langes Gedächtnis!), und schon geht die Kritik weiter, ohne uns Zeit für die Anpassung an die Rahmenbedingungen zu lassen.

Globalisierung – Fluch oder Segen?

Wir Landwirte produzieren für den Markt. Dieser ist im Wesentlichen offen. Und so kommt es, dass auch in Jahren wie diesem, das uns Bauern sehr demütig werden lässt, unser Tisch trotzdem reich gedeckt bleibt und wir alle uns keine Sorgen darum machen müssen, ob wir das nächste Frühjahr erreichen werden. Was hier bei uns fehlt, kauft der Lebensmitteleinzelhandel aus anderen Teilen der Welt zu. Globalisierung – Fluch oder Segen?

Wir haben zu viele Kühe, sagen Sie, die jetzt kein Futter mehr finden, und dass Biobauern sich besser durchschlagen, zumal sie für ihre Produkte mehr Geld bekommen. Ferienwohnungen, Hofläden und Ökologischer Landbau heißt also die Lösungsformel für Sie.

Auch Biokühe finden nichts mehr zu fressen

Davon abgesehen, dass Hofläden und Ferienwohnungen sehr häufig auch bei den konventionellen Betrieben anzutreffen sind und ebenso den Marktgesetzen von Angebot und Nachfrage unterliegen, stimmt es, dass Biobauern häufig breiter aufgestellt sind. Aber auch deren Kühe finden in der jetzigen Notsituation auf den Koppeln nichts mehr zu fressen. Und trotz der höheren Produktpreise sind Bioprodukte ohne die wesentlich höhere Flächenprämie (und damit noch höhere Abhängigkeit vom Staat) nicht konkurrenzfähig.

Dazu kommt, dass der Anteil der Bioprodukte im Lebensmittelhandel nur sehr langsam steigt, und auch dort der Verbraucher jeden Tag ganz basisdemokratisch an der Kasse in der überwiegenden Mehrheit für die Konventionellen abstimmt (Wer wie ich mit dem sehr eingeschränkten Sortiment eines DDR-Konsumladens aufgewachsen ist, für den stellt eine ALDI-Filiale nahezu eine Offenbarung dar, was Vielfalt und Standardqualität angeht, für den ist das verständlich; und wer sind wir denn, dass wir hier über das Einkaufsverhalten unserer Mitmenschen die Nase rümpfen dürfen?)

Gegenseitiger Respekt!

Eine Umstellung auf eine Landwirtschaft nahe an der Natur gäbe es nicht zum Nulltarif, sagen Sie, und stimmen auf höhere Produktpreise ein. Genau das halte ich für einen Trugschluss. Wie wollen Sie den Handel zwingen, die höherpreisigen Lebensmittel zu kaufen, wenn die Nachfrage danach nicht gleichermaßen gegeben ist und das Ausland weiterhin normale konventionelle Produkte liefert?

Wissen Sie, wer die größte Angst vor solch einer durch die Politik erzwungenen Agrarwende hätte? Es wären gerade die Ökobauern, die für sich eine gut funktionierende Nische gefunden haben. Wer den Angebotsdruck erhöht, ohne dass die Nachfrage damit Schritt hält, führt genau diese Betriebe in die Schieflage. Im Übrigen sind viele Biobetriebe Mitglied im Bauernverband. Wir respektieren gegenseitig unsere verschiedenen Wirtschaftsweisen und die verschiedenen Märkte, die wir bedienen. Wir lernen auch voneinander.

Was das Aufhalten des Klimawandels durch den Ökolandbau angeht, sind die Forschungen sich in Bezug auf die Treibhausgasemissionen uneins. Pro Hektar ist er der konventionellen Landwirtschaft überlegen, aber durch die geringeren Erträge pro Hektar wird für das einzelne Produkt der Vorteil weitestgehend wieder aufgefressen.

Staatliche Nothilfe

Staatliche Nothilfe darf nicht zum Dauerzustand werden, fordern Sie. Da kann ich Ihnen uneingeschränkt zustimmen, auch, weil ich diese Gefahr nicht sehe. Zum Glück gibt es viele Jahre, in denen uns die Natur wohlgesonnen ist und wir die Einbußen wieder ausgleichen können. Wenn jedoch wie in 2018 – mit großen regionalen Unterschieden – die Erträge zum Teil nicht einmal die Hälfte des Üblichen betragen, kann über die „Nationale Rahmenrichtlinie zur Gewährung staatlicher Zuwendungen zur Bewältigung von Schäden in der Land- und Forstwirtschaft verursacht durch Naturkatastrophen oder widrige Witterungsverhältnisse“ zumindest Liquidität in die Betriebe gebracht werden. Auch in der Vergangenheit, etwa im Dürrejahr 2003, ist von dieser Option Gebrauch gemacht worden, wobei nur ein Bruchteil der Schadenssumme beglichen wurde.

Steuerbefreite Risikoausgleichsrücklage

Wir würden gern auf diese Art der Hilfe verzichten. Vielleicht könnten wir das auch, wenn ein anderes Instrument, nach dem übrigens die Funktionäre des Bauernverbandes schon seit vielen Jahren „schreien“ (um bei Ihrem Sprachgebrauch zu bleiben), installiert worden wäre. Die steuerbefreite Risikoausgleichsrücklage könnte es uns ermöglichen, in Jahren, in denen wir glücklicherweise zu hohen Steuerzahlungen in der Lage sind, davon etwas abzuzweigen und für Notzeiten auf die hohe Kante zu legen. Bisher wurde diese Forderung jedoch immer abgelehnt.

Die Bauern können einem leidtun, sagten Sie zum Beginn ihres Kommentars. Nun, Mitleid wollen wir nicht. Respekt und Solidarität wären uns deutlich lieber!
Ich weiß, dass Ihr Kommentar eine persönliche Meinung darstellt. Ich möchte das auch nicht in Abrede stellen. Solche Formate gehören zum öffentlichen Diskurs dazu. In einem seriösen öffentlich-rechtlichen Leitmedium entfaltet dies allerdings eine große Wirkung, die ich so nicht unwidersprochen stehenlassen wollte.

Genießen Sie diesen Sommer, mit leckeren Produkten, an deren Herstellung vielleicht auch unser Betrieb beteiligt war!

Beste Grüße aus der Mecklenburgischen Schweiz!

5 comments Add yours
  1. Diesem Brief ist nichts hinzuzufügen! Wenn ich all die Kritiker höre frage ich mich immer, ob diese jemals Kohl, Karotten, Salat oder anderes im eigenen Garten angebaut haben. Nur wer selbst anbaut kann die Mühen und Sorgen erahnen, welche die Bauern plagen. Wir hatten früher selber Landwirtschaft und Weinbau und bis indie 70iger Jahre auch Vieh. Wir fühlen mit den Bauern, weil wir die Probleme nur zu gut kennen. Dieser unsägliche Sprecher der Tagesthemen hat mit seinem Kommentar seine ganze Arroganz und Verachtung für die Bauern gezeigt. Ich “empfehle”diesem “Herrn” sein Obst und Gemüse künftig selbst zuerzeugen, erst dann wird er sehen wie weit er mit Arroganz und Verachtung kommt. Es ist eben sehr einfach einen guten Monatslohn zu beziehen, egal ob Hitze, Kälte, Stum, Schnee oder Hagel herrscht, oder ob man in seiner Existenz vollständig vom Wetter abhängig ist

  2. Dem kann man nichts hinzu fügen. Es bliebe zu wünschen das dieser Beitrag einmal gut öffentlich in verschiedenen Medien erscheint. Bio finde ich auch gut. Es ist doch aber eine Illusion zu glauben, die komplette Versorgung durch Bio Produkte zu erreichen. Wo sollen denn die Flächen herkommen? China? Da hab ich kein Vertrauen in die Podukte. Bei mir geht es um kleine Produzenten und Höfe. Dazu bereise ich z.B. auch Österreich. Und hier gibt es einen eklatanten Unterschied in der Wahrnehmung der Landwirtschaft: Das sind keine ollen Bauern, sondern Erzeuger. Ohne die hätte man nichts zu Essen. Ich hoffe, die Bauern erhalten zügig die notwendige Unterstützung vom Staat.

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