Für Aufsehen sorgt derzeit ein internes Papier der EU-Kommission, in dem es heißt, dass mit Biodiesel betankte Autos mehr CO2 emittieren als Fahrzeuge, die mit herkömmlichen Kraftstoff angetrieben werden.
Wesentliche Ursache ist demnach wohl der viel zitierte Wettkampf “Tank oder Teller” und die Landnutzungsveränderungen, wenn Dauergrünland, Moor oder Wald zu Ackerland umgewandelt wird.
Frauke Ladleif hat für die Financial Times Deutschland folgenden Bericht verfasst:
Neue CO2-Berechnung:Biosprit ist Gift für die Umwelt
© Bild: 2011 Bloomberg
Nicht weniger, sondern mehr Kohlendioxid pusten Autos in die Atmosphäre, wenn sie mit Biodiesel betankt werden – mit verheerenden Folgen für die Klimabilanz der EU. Für die hoch subventionierte Branche ist das verheerend.
Die Herstellung von Biodiesel aus Raps, Soja oder Palmöl führt zu mehr CO2 in der Atmosphäre als herkömmlicher Sprit. Das besagt ein internes Papier der EU-Kommission, das der FTD vorliegt. In dem Dokument werden im Gegensatz zu bisherigen Berechnungen die indirekten Klimafolgen in die CO2-Bilanz des Biokraftstoffs einbezogen. Danach wird durch die Herstellung von Raps 4,5 Prozent mehr CO2 ausgestoßen als bei herkömmlichem Sprit – bei Soja sind es sogar 11,7 Prozent.
Für die hoch subventionierte Biokraftstoffindustrie ist das ein verheerendes Ergebnis. Denn ein Großteil des Biosprits ist Biodiesel, der hauptsächlich aus Raps, Soja und Palmöl gewonnen wird. Im Rahmen ihrer Klimaziele will die EU bis 2020 den CO2-Ausstoß um 20 Prozent senken, unter anderem durch den Einsatz von Biosprit. Dafür wird angenommen, dass vom Anbau der Pflanzen bis hin zur Verbrennung im Motor weniger CO2 in die Atmosphäre gerät als bei herkömmlichem Sprit. Vorgabe ist, dass die CO2-Belastung durch Biosprit 35 Prozent unter der Belastung durch Normalbenzin liegt.
Bisher wurden aber die indirekten Klimafolgen nicht in die CO2-Bilanz von Biosprit eingerechnet. Zu diesen Folgen gehören Verdrängungseffekte in der Landwirtschaft: Bauern zerstören Regenwälder oder kohlenstoffhaltige Böden, weil sie dahin für den Nahrungsmittelanbau ausweichen müssen – auf ihrem ursprünglichen Ackerland stehen Biosprit-Pflanzen. Dieser Effekt wird indirekte Landnutzungsänderung (Indirect Land-Use Change, Iluc) genannt. Wird der Iluc-Faktor in die Bilanz einbezogen, wird aus dem Biosprit ein neuer Umweltsünder.
Ursprünglich wollte die Kommission den Faktor 2010 in die Berechnungen einbeziehen, verschob dies aber auf Herbst 2011. Für die europäische Biodieselindustrie wäre das ein Desaster. Das EU-Dokument schlägt daher einen Kompromiss vor: Statt den Iluc-Faktor einzubeziehen, sollen die CO2-Einsparungen auf 45 oder 50 Prozent erhöht werden. Erst spätestens 2018 soll der Faktor zum Tragen kommen. Darauf hätten sich die Kommissare für Energie und Klima, Günther Oettinger und Connie Hedegaard, geeinigt, berichtet die Agentur Reuters.
Die Industrie bekäme so eine Schonfrist: Die neuen Hürden werden bei Raps erreicht, bei Palmöl und Soja mit ein wenig Mühe. Offiziell wollte die Kommission keine Stellung nehmen. Aus internen Kreisen heißt es, man arbeite an einem Kompromiss und wolle den Faktor spätestens 2014 einrechnen.
EU-Parlamentarier und Umweltschützer vermuten den Einfluss der Agrarlobby hinter dem Vorschlag. “Die ist bei Oettinger wohl auf ein offenes Ohr gestoßen”, sagte Jo Leinen (SPD), Vorsitzender des Umweltausschusses. Das Parlament werde die Verzögerungspolitik nicht mitmachen. “Die Iluc-Ergebnisse blamieren die Kommission”, rügte Sébastien Risso von Greenpeace.
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Also wird es zu dem Themenbereich Erneuerbarer Energien wohl wieder eine kontroverse Diskussion geben. Diese wird sich nicht auf Biodiesel aus Raps, Sojabohne und Palmkernöl beschränken lassen, denn die in obigem Bericht zitierten Landumnutzungseffektedürfte es auch bei Bioethanol (Stichwort E5 bzw. E10) und Biogas geben.
Nun weiß ich aus eigener Erfahrung, dass der Agrarhandel bereits heute bei der Rapssaaterfassung zwischen nachhaltig erzeugter Ware und Rapspartien von Ackerflächen, die früher z.B. Grünland waren, unterscheidet. Die Erklärung, die ein Erzeuger dazu abgeben muss, bedeutet ein mehr an Bürokratie und kann dem Problem der Flächenumnutzung nur teilweise einschränken. Beispielsweise könnte ein Landwirt Grünland umbrechen um dort Futter für seine Tiere anzubauen und auf einer anderen Fläche, die nicht unbedingt zur Futterversorgung mehr nötig ist, nachhaltigen Raps anbauen.
Ich kann es nicht belegen, aber ich glaube, dass der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen in Maßen eine sinnvolle Sache sein kann. Zur Zeit wird in diesem Bereich sehr viel geforscht und öffentlich gefördert. Künftige Fördermechanismen sollten eher punktuell im Bereich von Forschung eingesetzt werden die durch Umlage finanzierten Einspeisevergütungen für Biogas sollten so weit reduziert werden, dass die zur Zeit vorhandene Überförderung (gegenüber der Nahrungsmittelproduktion) abgebaut wird. So würden nur noch solche Biogasanlagen ans Netz gehen, die ein wirklich ausgewogenes Gesamtkonzept aufweisen.