Und jetzt?

Nicht erst seit heute, seit gestern, seit letzter Woche, seit letztem Monat – bin ich ratlos, fehlen mir die Worte.

Seit 20, 30 Jahren erleben wir eine Agrarpolitik in Deutschland, die planlos ist. Denen oft LandwirtschaftsministerInnen vorstehen, für die nichts anderes mehr frei war.

Wir durften als Bäuerinnen und Bauern erleben, dass nur in Legislaturperioden gedacht wurde, wenn überhaupt. Dass oftmals unvermittelt Gesetze und Verordnungen, Kürzungen oder Steuererhöhungen auf den Tisch kamen, die man dann als Berufsverband versucht hat, abzumildern. Was auch immer geschafft wurde und auch durch Studien belegt ist.

Trotzdem ist es schlicht unlauter, wenn ständig an die Landwirtschaft Maximalforderungen gestellt werden und eine Abmilderung von 50 % ein Erfolg ist. Anscheinend haben Politiker über die Jahre dies zu eine Art Sportart erhoben und sind bis Dezember 2023 damit durchgekommen.

Denn auch hier hat man schon läuten hören, dass vielleicht die KfZ-Steuer doch nicht kommt und Cem Özdemir dann als Retter der Landwirtschaft auftreten kann, weil “nur” das Agrardiesel weg ist. Es kam anders und meine Frage konnte ich immer noch nicht beantworten:

Und jetzt?

Ich weiß es gerade selber nicht. Weil ich großer Befürworter von den Ergebnissen der Zukunftskommission war. Weil ich großer Fan von “Borchert” war. Weil ich am Konzept “Zukunftsbauer” mitspinnen durfte. Weil ZKL und Borchert von der Politik beerdigt wurden und unser Berufsstand mehrheitlich kein Interesse am Zukunftsbauern hat.

Darum glaube ich nicht mehr dran. Darum werde ich wohl mit meinen Sauen mit Haltungsstufe 1 weitermachen, bis mir der Stall zugesperrt wird. Oder? Hat jemand einen besseren Vorschlag?

Variante 1:

(Fast) alle staatliche Zahlungen weg: Agrardiesel, GAP, Stallbauförderungen. Nur noch Förderungen für benachteiligte Gebiete wie Almen, Moore und Umweltleistungen. Wer Vollgas geben will, darf das tun, kriegt aber keine staatlichen Zahlungen mehr. Aber auch keine neuen Auflagen. Was wäre dann? Ich für meinen Betrieb bräuchte ca. einen 3 Euro höheren Ferkelpreis. Machbar, oder?

Wenn wir in der Vermarktung besser werden würden. Wenn wir im Marketing besser werden würden. Wenn, wenn, wenn, wenn, wenn.

Variante 2:

Es gibt den Bauernsoli. Wir kriegen den Umbau unserer Tierhaltung finanziert. In 20 Jahren fahren auf unseren Äckern und Wiesen Hackroboter und Schlepper mit Rapsöl, Wasserstoff und Strom. Die Agrardieselrückvergütung läuft schleichend in den nächsten 10-20 Jahren aus. Weil dies alles der Verbraucher nicht zahlt, erhalten wir das Geld vom Staat. Langfristig. Dauerhaft.

Alles Träume?

Ja. Fakt ist – ich hab es heute gelesen, aber unter der Vielzahl an Meldungen nicht mehr gefunden – Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe wird sich bis 2040 nochmal halbieren. Ja. Schaut mal rum. Wer von der Babyboomergeneration hat die Hofnachfolge (mit Tierhaltung) geregelt? Überschaubar für die große Anzahl derer, die in diesem Alter sind.

Ja. Fakt ist: Arbeitskräfte sind trotz aller Weltuntergangsvideos knapp in Deutschland. Unser Nachwuchs findet in der Wirtschaft locker Jobs. Gut bezahlt und mit vernünftiger Work-Life-Balance. Und kann nebenbei noch Pachteinnahmen generieren.

Ja. Fakt ist: Unser Lohnniveau, unsere Lebenshaltungskosten in Deutschland sind zu hoch. Bürokratie frisst unglaublich viel Zeit und Geld auf. Hier sind wir nicht konkurrenzfähig mit dem Ausland und Nahrungsmittelimporte erzeugen darum immer einen Druck auf den einheimischen Markt.

Nein.

Weil ich der Variante 2 kombiniert mit Variante 1 eine Chance geben will. Was bleibt uns anderes übrig? Die Agrardieselrückvergütung rettet keine Betriebe, ermuntert keine 16jährigen Töchter und Söhne, eine landwirtschaftliche Ausbildung zu beginnen.

Wir brauchen einen breiten Konsens. Keine FDP wie Christian Lindner, der nun Bürokratie abbauen will (da bin ich ja gespannt). Keine Grünen wie Britta Haßelmann, die die Marktmacht des LEH brechen wollen. Keine Freien Wähler wie Hubert Aiwanger, der einfach nur über alles schimpft, selber aber keine Lösungsvorschläge hat und in Bayern im “Freien-Wähler”-Umweltministerium rein gar nichts für die Landwirtschaft erreicht hat. Keine Union, die, weil sie immer alles so belassen will, wie es immer war, wertvolle Zeit verschenkt hat, wo wir uns als Landwirtschaft der neuen Zeit anpassen hätten können. Keine SPD, die agrarpolitisch einfach total blank ist.

Alle zusammen müsste man ein paar Wochen einsperren, wo sie sich Vorträge von AgrarwissenschaftlerInnen und LandwirtInnen anhören müssen und am Ende ein Konzept steht, welches der nächsten Generation eine Perspektive bietet. Wo wir alle dann sagen: Ja, packen wir es an! Da hab ich Bock drauf!

Ich bin Zukunftsbauer

Weil Landwirtschaft Zukunft hat. Für jede und jeden, der Lust drauf hat. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir nur, wenn wir diesen gesellschaftlichen Wandel aktiv begleiten, unsere Höfe in die Zukunft führen können. Dafür brauchen wir politische Rahmenbedingungen. Aber vor allem brauchen wir alle den Mut und den Weitblick, unsere Betriebe und unsere landwirtschaftlichen Organisationen neu auszurichten. Ein Beispiel, wie es gehen könnte, ist das bayerische Projekt Heimatversprechen. Es vereint für mich alles, wie es gehen kann. Politische Unterstützung, aber auch Eigeninitiative. Neue Vermarktungskonzepte.

Denn: Politik macht keine Preise!!!

Denn: Dass, was wir durch unserer Hände Arbeit, durch das, was wir im Kopf haben, erarbeiten können, kann uns kein Staat bezahlen.

Nutzen wir dieses Momentum, wo Politik, Medien und Gesellschaft auf die Landwirtschaft schauen, unseren Traum in die Tat umzusetzen. Den Traum, dass unsere Kinder die Höfe weiterführen können!

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