Rettet die Schäfer

Schäfereien in Deutschland haben mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen

Zu der Berufsgruppe der Schäfer hatte ich bisher sehr wenig Kontakt. Im Grunde habe ich so gut wie gar keine Ahnung wie die Schäfereien funktionieren und zu Recht kommen. Über twitter (@schafzwitschern) folge ich schon seit einigen Jahren einem Wanderschäfer aus Baden-Württemberg. Dieser Schäfer heißt Sven de Vries und kämpft aktuell um die Zukunft der Schäfereien in Deutschland. Dazu hat er eine Petition gestartet und weit über 100000 Unterstützer gefunden. Jüngst haben Schäfer aus ganz Deutschland auch in Berlin für ihre Anliegen demonstriert.Die letzten Schäfer sind in Not! Mit einem Klick geht´s zur Petitionsseite von change.org

Ich habe die Petition auch unterschrieben und möchte mit diesem Interview die Schäfer mit ihren Anliegen unterstützen.

Hallo Sven, Du bist Schäfer, wie bist Du zur Schäferei gekommen?

Sven de Vries: Hallo Bernhard. Über das Schaf. Ich bin spontan auf einem Milchschafbetrieb für eine FÖJlerin eingesprungen. Die Arbeit mit Schafen hat mich einfach glücklich gemacht und meinem Leben einen Sinn gegeben. Auf dem Betrieb damals hatten wir ein Schaf, bei dem wir nicht sicher waren, ob die Nachgeburt abgegangen ist.
Da wir nicht so genau Bescheid wussten haben wir den Tierarzt gerufen. Der hat einen Handschuh übergezogen, den Finger in die Scheide gesteckt, daran gerochen und gemeint die Nachgeburt sei ab. Da ist mir dann klar geworden, dass ich dann auch eine Berufsausbildung machen muss um als Schäfer zu arbeiten.

Über deine socialMedia-Kanäle bewirbst Du eine Petition zur Rettung von Schäfereien in Deutschland. Wodurch werden die Schäfer aktuell in ihrer Existenz bedroht?

Sven de Vries: Im Grunde geht es um Geld und damit auch um die Dinge, die damit zusammenhängen. Die Arbeitsbelastungen in der Schäferei sind extrem hoch und der Verdienst sehr schlecht.
Es gibt keinen Nachwuchs und wir finden weder angestellte Schäferinnen und Schäfer noch Betriebshelfer, wenn es mal brennt. Der Erwirtschaftete Verdienst von Betriebsleiter/innen liegt weit unter Mindestlohn.

Ihr fordert eine Weideprämie. Wie sehen die Unterstützungen derzeit aus, mit wie viel Bürokratie habt ihr aktuell zu kämpfen?

Sven de Vries: Das ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. 60% unserer Einkünfte kommen aus der 2. Säule der GAP.
Wir liefern mit dem Lammfleisch ein qualitativ hochwertiges Produkt. Während andere Tierwirtschaftsbereiche intensiviert haben um auf dem Markt bestehen zu können, sind unsere Möglichkeiten weitestgehend ausgeschöpft. Die stärke des Schafes liegt in seiner Fähigkeit durch Selektion auch auf mageren Flächen sich selbst eine gute Futterration zusammenzustellen, ist ansonsten aber ein schlechter Futterverwerter. Eine Kraftfuttermast wird immer unwirtschaftlicher, die Wolle stört im Stall und Schafe brauchen einfach Raum um sich gut zu entwickeln.
Anders als in Australien, Neuseeland oder Irland sind unsere Weideflächen in Deutschland aber eher klein strukturiert. Während in Australien eine Arbeitskraft genügt um bis zu 25.000 Schafe zu betreuen, sind es hier lediglich 450 Schafe.
Wir beweiden Flächen, für die die anderen Landwirtschaftsbereiche keine Verwendung haben und das mit entsprechend hohem Aufwand. Allerdings spielen unsere Flächen eine große Rolle beim Erhalt vieler seltener Tier und Pflanzenarten.
Wir werden aus der 2. Säule dafür bezahlt. Dabei gibt es verschiedene Probleme. Die Anzahl der ausgewiesenen Flächen ist zu gering. Viele Schäferinnen und Schäfer arbeiten zwar mit ihren Herden in der Landschaftspflege, aber weil das Geld fehlt, werden nicht alle Flächen auch anerkannt. Zudem sind unsere Flächen völlig anders gestaltet als in der GAP im allgemein vorgesehen. Bei Kontrollen kommt es darauf an, wer kontrolliert, zu welcher Tages- und Jahreszeit.
So fallen Teile von Flächen einfach aus der Bruttofläche raus, an anderer Stelle kommt etwas hinzu und am Ende haben wir einen Kontrollbericht, der uns hart sanktioniert, obwohl unser Auftraggeber, in der Regel die unteren Naturschutzbehörden, vollends zufrieden sind.
Da Verträge 5 Jahre laufen, ist das letzte Jahr der Vertragslaufzeit ein Horror. Stimmt etwas nicht, kann das den Betrieb die Existenz kosten. Da wir in so hohem Maße von der GAP abhängig sind, bedeutet das einen ständigen Druck und auch Betriebe die bestens laufen, stehen einfach immer kurz vor der Pleite. Zudem sind diese Gelder die wir bekommen nicht kostendeckend.
Wir müssen vom Verbraucher verlangen, unsere Dienste im Umwelt und Naturschutz mitzubezahlen. Das macht Lammfleisch im Vergleich zu anderen landwirtschaftlichen Produkten teuer.
Jedes herkömmliche Landschaftspflegeunternehmen schreibt den Behörden ein Angebot und wird entsprechend bezahlt. Wir müssen hoffen, dass die Gelder aus der 2. Säule ausreichen, unsere Betriebe zu halten.
Die Weidetierprämie wird diese Probleme nicht lösen, aber es gäbe die Möglichkeit, sie sofort einzuführen.
Momentan gibt es noch etwa 989 Vollerwerbsschäfereien und die Zahl nimmt rasant ab. Wenn wir warten, bis unsere Probleme über die GAP gelöst werden könnten, ist es vermutlich zu spät.

Wie sollte eine Weidetierprämie ausgestaltet sein, wie hoch müsste sie sein?

Sven de Vries: Wir fordern eine Weidetierprämie von 38 Euro pro Mutterschaf. Es ist eine gekoppelte Prämie und die Gelder kämen aus der 1. Säule. Das heißt die anderen Landwirtschaftsbereiche müssten je nach Ausgestaltung auf geschätzt 2-3 Euro pro Hektar Fläche verzichten.
Da eine Weidetierprämie nicht an die Fläche gebunden ist, wäre das zudem eine sichere Einnahmequelle und wir könnten Rückzahlungen und Sanktionen aus der 2. Säule auch besser verkraften.
Alle Länder der europäischen Union, außer Deutschland zahlen gekoppelte Prämien, 22 zahlen eine Weidetierprämie für Schafe und Ziegen. Es mag sein, dass Deutschland gute Erfahrungen mit einer Entkopplung gemacht hat, aber wir brauchen halt jetzt ein Sofortprogramm. Eine andere Möglichkeit die Schäferei zu bewahren sehe ich momentan einfach nicht.
Thüringen ist einen eigenen Schritt gegangen und hat eine Kopfprämie für Schafe und Ziegen über die De-minimis angekündigt. Zwar hat die Europäische Union, nach einem Antrag aus dem Bundesrat vorgeschlagen, die maximale Höhe dieser Beiträge auf €25.000 in drei Jahren zu erhöhen aber das bleibt trotzdem weit unter den notwendigen Beträgen.
Zudem werden auch Verluste durch den Wolf über De-minimis beglichen. Größere Hütebetriebe und Betriebe die ohnehin stark unter Druck stehen, können im Verhältnis einfach wenig davon profitieren.

Bestimmt ist der Staat gefordert. Aber was kann ich als normaler Landwirt tun, damit es die Schäfereien einfacher haben? Wie kann ich ganz praktisch helfen? Gibt es für den Bürger eine recht einfach Maßnahme, die Schäfer zu unterstützen? Geht das über das Einkaufverhalten?

Sven de Vries: Wie gesagt, unsere Chancen auf dem Markt sind begrenzt. Man kann vom Verbraucher nicht verlangen, dass sämtliche Umwelt- und Naturschutzmaßnahmen im vollem Umfang mitbezahlt werden.
Als Landwirt kann man aber durchaus etwas tun. Viele Schäfereien sind im Herbst und Winter auf der Reise und so auf fremden Flächen unterwegs. Manchmal lohnt es sich kaum im Herbst nochmal zu mähen, hat man Kontakt zum Schäfer, können wir uns vielleicht gegenseitig helfen. Mir ist auf der Reise immer bewusst, dass ich auf Fremdflächen unterwegs bin und je nach Wetter, ist mir auch bewusst, dass die Herde nicht sehr gerne gesehen ist.
Ein paar nette Worte und ein Pferchplatz für die Nacht würden mir vieles leichter machen. Am Ende bin ich ja nicht einfach auf der Reise um Geld zu sparen sondern für viele Betriebe ist die Winterweide notwendig, weil ein Stalltag zu teuer ist oder gar kein ausreichend großer Stall zur Verfügung steht.

Wir zu Hause haben jahrelang Schafsfelle fürs Sofa, Westen aus Schafsfellen bei einem regionalen Fell-& Wollladen gekauft- der Inhaber ist allerdings mittlerweile im Ruhestand und Nachfolger gibt es leider nicht. Wo kann ich und andere potentielle Kunden diese hochqualitativen Produkte noch kaufen?

Sven de Vries: Man kann es im Internet versuchen aber für viele war das einfach eine Nebeneinkunft. Die tägliche Arbeit macht es oft unmöglich sowas noch nebenher zu machen. Wie in anderen Bereichen auch, profitiert zu allererst der Handel.
Man kann sich erkundigen, ob dem Erzeuger ein anständiges Geld bezahlt wird, dann reagiert der Handel vielleicht.
Traditionell gehört ein Rohfell dem Schlachtbetrieb. Ich muss meine zurückkaufen, wenn ich nicht selber schlachte. Gerben, Zuschnitt, das ist alles ein ganz eigener Betriebszweig von dem der der “Produktion” kaum profitieren kann. Trotzdem versuchen es einige mit einer Selbstvermarktung.

Wie sieht eigentlich die Lage bei den Schäfern aus in anderen europäischen Staaten?

Sven de Vries: Weltweit steht die Schäferei und andere Hirten unter Druck. Auch wenn diese Form der Landwirtschaft vor allem in armen Ländern etwas zur Ernährungssicherheit beitragen könnte, machen Klimawandel und Ackerbau durch Agrargiganten es den Hirten schwer.
Ungenutztes Land wird in riesige Plantagen umgewandelt und nicht selten Wüste hinterlassen. Der Pastoralismus ist weltweit im Rückgang. Einige Länder haben sich aufgrund ihrer Gegebenheiten spezialisiert und setzen auf Export.
Mit dem Brexit fällt der wichtigste Fürsprecher der Schäferei in Europa weg. Es sieht insgesamt ziemlich düster aus.

Wie stehst Du zum Wolf und gibt es da eine bundeseinheitliche Position der Schäfer dazu?

Sven de Vries: Die Diskussion um den Wolf nervt mich allmählich. Der Wolf ist halt einfach der Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringen kann. Eine Lösung des Problemfeldes Wolf kann unsere allgemeinen Probleme nicht lösen. Der Wolf ist einfach eine neue Herausforderung bei der wir uns außer Stande sehen, sie jetzt auch noch zu lösen.

Wie seit ihr eigentlich organisiert? Seid ihr auch in Bauernverbänden Mitglied? Wie verschafft ihr Euch insgesamt Gehör?

Sven de Vries: Lange gab es nur die Landesschafzuchtverbände und den Verband der Landesschafzuchtverbände auf Bundesebene. Zum einen steht dort aber kein Personal zur Verfügung und zum Anderen bewegen die sich auch immer in einem Interessenkonflikt zwischen Hobbyhaltern und BerufsschäferInnen.
Der Bundesverband Berufsschäfer hat vor kurzem jemanden angestellt, der viel in Berlin in Brüssel unterwegs ist. Am Ende vertritt er aber nur ein paar hundert Familien. Kein Vergleich zum Bauernverband oder dem BÖLW. Die älteren unter den Schäfern haben die Hoffnung oft aufgegeben, dass wir auf politischer Ebene etwas für uns erreichen, aber einige versuchen halt ihr Bestes.


Sven de Vries bei


Freitagsfakt #158 vom Bauernverband:


weitere Bilder/Fotos:

Sven de Vries mit Bild mit seinen Schafen
Wanderschäfer Sven de Vries, (c) Sven de Vries
Schäfer demonstrieren in Berlin, (c) Sven de Vries
Sven de Vries Nase an Nase mit einem Schaf
Profilbild bei Facebook & Twitter von Sven de Vries
5 comments Add yours
  1. Danke, dass du dieses Thema aufgegriffen hast, Bernhard!
    Die Schäfer betreiben wohl die Form von Landwirtschaft, die den meisten Nutzen für Umwelt, Natur und Artenvielfalt hat und von der Gesellschaft am meisten akzeptiert wird. Deshalb ist es ein Armutszeugnis, dass sie nur in Deutschland keine finanzielle Unterstützung über eine Weideprämie oder eine andere gekoppelte Zahlung bekommen. Wenigstens in Niedersachsen hätte die neue Landwirtschaftsministerin die geplante Weideprämie einführen können; hoffentlich klappt es nächstes Jahr! Ein breites gesellschaftliches Bündnis für die Weideprämie hat am Dienstag bei einer kleinen Kundgebung der Ministerin einen offenen Brief überreicht und bietet Postkarten zum Download an, mit denen jeder die Einführung einer solchen Prämie unterstützen kann: http://www.abl-niedersachsen.de/home/

    1. Ich denk auch, dass die Berufsschäferei unterstützt werden muss. Das ist aber im Rahmen der Landschaftspflege Aufgabe des Bundesumweltministeriums und dessen Haushalt. Wer Millionenbeträge in Kreuzschifffahrt, Antilandwirtschafts-Plakatierung, Social Media Teams und NGOs investieren kann, hat auch das Geld für die Schäfer. Eine Weideprämie für Hobbypferdehalter aus Steuermitteln als Beispiel ist nicht sinnvoll, die Giesskannenmethode nicht angebracht, weitere Breiten-Förderung der Nutztierhaltung kaum durchsetzbar. Weideprodukte der Milch und Fleischwirtschaft können innovative Vermarktungswege beschreiten und zusätzliche Einnahmen am Markt generieren.

      1. Ich denke, mit der Gießkannenmethode wird im Moment über die erste Säule gefördert, ohne Degression, ohne Obergrenze. Die Profiteure sind große Ackerbaubetriebe. Wenn man da ein paar Euro pro ha für die Schäfer abknapsen würde, sollte das jeder Berufskollege mittragen. Allein dafür, dass sie viel fürs Image der gesamten Landwirtschaft tun. Das gilt für die gesamte Weidetierhaltung. Innnovative Vermarktungswege und zusätzliche Einnahmen am Markt sind trotzdem erstrebenswert. Im übrigen wird wahrscheinlich bald ein Vielfaches des Geldes gebraucht, um die Schweinehaltung gesellschaftsverträglich umzubauen, siehe Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats zur Nutztierhaltung. Da wird dann sicher auch Solidarität eingefordert.

  2. Hallo,
    ich bin seit längerer Zeit mit Schafen und deren Einsatz befasst.
    So hat sich in der Timmerloher Heide bei Bispingen etwas Erfreuliches ereignet. Der Verein VNP Wilseder Berg hat die Beweidung mit Heidschnucken auf der Timmerloher Heide übernommen, eine Schäferei nebst Wohnhaus errichtet, der Schäfer ist fest angestellt. Das ist dann die 6. Herde des VNP. Meines Erachtens kann nur so der Weidebetrieb erhalten werden. So bietet sich an, dass der Naturpark Lüneburger Heide das ähnlich macht und die losen Heidschnuckenherden erfasst. Will man Landschaftspflege betreiben, geht das nicht privatisiert. Schlimm getroffen hat es Schäfer Jahnke, der einst bei Rheinmetall fest angestellt war aber nun privatisiert wurde.
    Grüße
    Reinhard Stranz

  3. Wir hatten auch das teure Problem, das die Behörde vor Ort die Förderrichtlinien( Extensives Weideland und seine Beschaffenheit)weit schärfer auslegt,wie es in dem original EU- Text steht.
    Ausgerechnet diejenigen ,die weder den Markt noch die Ökologie belasten ,werden auch noch teils willkürlich abgestraft ,während Z.B. bei Düngung auf Dauerfrost weggeschaut wird.
    Extrem unfair von der Behörde.

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