Wer mich daheim unter der Arbeitszeit besucht, wird mich mit ziemlicher Sicherheit mit Stöpsel im Ohr auffinden und hiermit möchte ich mich gleich mal bei allen entschuldigen, die ich nicht gehört habe, wenn sie nach mir gerufen haben. Denn ich gebe es hiermit zu: Ich bin Podcast-Junkie.
Nachdem ich eigentlich lange Zeit Radiobeiträge, zum Beispiel von Bayern 2, als Podcasts gehört habe, tendiere ich aktuell immer mehr zu “Laberpodcasts”. Hier “labern” meist zwei Personen über Gott und die Welt und man kann hier wunderbar zuhören, muss sich aber nicht so konzentrieren, wie wenn man “Radio Wissen” anhört. Also optimal, wenn man im Stall arbeitet oder Schlepper fährt.
Podcasts, Podcasts, Podcasts
Als kleine Auswahl, wo ich mal mehr, mal weniger rein höre, sei hier genannt: Fest und Flauschig mit Jan Böhmermann und Olli Schulz, Das Podcast-Ufo mit Florentin Will und Stefan Titze, Gefühlte Fakten mit Christian Huber und Tarkan Bagci, Baywatch Berlin mit Klaas Heufer-Umlauf, Thomas Schmitt und Jakob Lundt und Drinnies mit Giulia Becker & Chris Sommer.
Nun ist es ja so. Ich bin ein Landkind. Ich bin sehr, ich würde sagen, traditionell aufgewachsen, wie ihr hier nachlesen könnt. Aber ich hatte eigentlich immer den Eindruck, dass sich die Landbevölkerung sehr der Stadtbevölkerung angeglichen hat. Aufgrund von Fernsehen und Internet, Aufgrund der Mobilität, wo 100 km von mir nach München ein Katzensprung sind. Gewohnheiten, Sprache und Sichtweisen gleichen sich an.
Doch je öfter ich solche Podcasts höre, desto mehr muss ich meine Sichtweise revidieren. Ich will hier gar nicht auf die vielen Dinge eingehen, wie sich zum Beispiel das kulturelle Angebot unterscheidet, wie sich das Verhalten der Menschen hier und dort untereinander unterscheidet. Die Unterschiede in der Art des Wohnens, des Konsums im Allgemeinen oder der Freizeitgestaltung.
Sondern ich will mich auf die Art und Weise der Ernährung fokussieren und wie Landwirtschaft, Tierhaltung und der ländliche Raum in der (Groß-)Stadt wahrgenommen werden. Denn wir sind hier ja auf BlogAgrar!
Fleisch ist mein Gemüse?
Gleich mal zu aller erst: Wirklich jede(r) muss ständig betonen – außer vielleicht Jan Böhmermann – dass man kein Fleisch oder viel weniger Fleisch isst und wenn man Fleisch ist, dass nur bio. Weil das mit der Massentierhaltung ist halt scheiße und außerdem ist Fleisch essen schlecht fürs Klima. Hier merke ich immer, wie tief diese Irrtümer schon in die Gesellschaft eingedrungen sind. Aber natürlich kauft man beim Rewe um die Ecke ein und zu teuer sollte es auch nicht sein.
In Zeiten von Corona lässt man sich alles in die Wohnung liefern. Amazon ist täglich an der Tür. Da hat man auch keine Gewissensbisse, weils halt auch so praktisch ist. Dem Auslieferer gibt man natürlich immer ein fettes Trinkgeld, damit er nicht ganz so stark ausgebeutet wird. Aber wie schlecht die ganzen Lieferdienste fürs Klima sind, was mit den Läden in der Innenstadt passiert und dass man zwar selber total öko mit Fahrrad und ÖPNV fährt, bei den Lieferwägen, die täglich was abliefern, es dann aber scheißegal ist – geschenkt!
Man lässt sich natürlich nicht nur die Pizza vom Italiener in die Wohnung liefern, sondern auch alles, was man halt sonst im Supermarkt kauft. Alles ganz bequem im Internet bestellt. Die Getränke lässt man sich auch über diese Art liefern – 3. Stock ohne Aufzug, da ist das schon praktisch. Aber Qualität ist halt schon wichtig.
Himbeeren im Winter sind halt auch wirklich geil. Das muss schon mal sein – Habt ihr schon mal Himbeeren gekauft? Wer zum Teufel kauft Himbeeren??? Seit ich denken kann, haben wir daheim im Garten Himbeeren. Zu genüge. Aber halt nicht im Winter. Und wenn dann vom Essen mal wieder was schlecht wird, weil man dann doch keine Lust mehr drauf hat, sich, statt zu kochen, was “kommen hat lassen” – ist halt so, raus damit in den Biomüll.
Und warum die dummen Landbewohner so gegen den Wolf sind, ist echt nicht zu begreifen. Was haben die nur gegen den Wolf. Der tut doch nichts. Und wenn er auch ein paar Schafe reißt. Ist doch egal, ob der Wolf die frisst, oder ob sie beim Metzger geschlachtet werden…
Was mir an diesen Beispielen klar geworden ist:
Menschen wie diese Podcaster, meist so zwischen 20 und 40 Jahre alt, die in Großstädten leben, haben keinen Bezug mehr zum “Real Life”. Städte sind ja schon lange ein künstlicher Ort, der die wenige Natur nur vorgaukelt. Wir alle leben auch auf dem Land in einer Kulturlandschaft. Natur im engsten Sinne gibt es bei uns in Deutschland so fast nicht mehr. Aber Städte treiben das auf die Spitze. Die Entfremdung zu natürlichen Abläufen verstärkt sich immer stärker, da jede weitere Generation, die in der Stadt wohnt, immer weniger Bezug zu Menschen auf dem Land hat. Die Großelterngeneration war hier noch anders kultiviert. Nun aber kommt zu diesem sterilen Aufwachsen in einer Großstadt auch noch das Internet dazu, und dadurch die Möglichkeit, alles per Mausklick anliefern zu lassen.
Meine Kinder erleben zum Beispiel mit allen Sinnen, wenn Katzen Mäuse oder (leider) Vögel fangen. Oder Füchse oder Dachse unsere kleinen Kätzchen erwischen. Sie sehen, wie das Getreide heranwächst, warum man Bäume fällen muss, wenn man ein Haus bauen will. Dass die Wärme im Haus von den Hackschnitzeln kommt. Und wie Ferkel bei uns im Stall geboren werden, die dann aber nach 7 Monaten u. a. bei uns in der Gefriertruhe landen.
Diese Menschen haben diese Möglichkeit nicht. Oder haben ihre Erlebnisse aus der Kindheit vergessen oder verdrängt. Anders ist dieses gesammelte Unwissen über Ernährung und Lebensmittelerzeugung nicht zu erklären.
Neulich bin ich mit der Bubble von Jörg Kachelmann, den Wetterexperten, auf Twitter in Berührung gekommen. Wenn ihr mal Zeit habt, lest es nach. Denn es ist bezeichnend, wie viel Unwissen vorhanden ist im Bezug auf die Verwertung von Holz. Mit einem unvorstellbar großem Ausmaß an Selbstbewusstsein kriegt man dort erklärt, dass 100 % eines Baumes als Möbelholz zu verwenden sind. Dass man am Borkenkäfer selber schuld ist, weil man Monokulturen im Wald gepflanzt hat und dass Holz eine schlechtere CO2-Bilanz wie Heizöl hat.
Wenn man versucht, zu erklären, wie die Praxis aussieht, wird man als dumm bezeichnet. Genauso geht es, wenn man erklärt, dass Fleischverzehr nicht per se klimaschädlich ist, sondern hier viele Faktoren mit rein spielen. Da wird man verlacht und gleichzeitig wird ein Flug gebucht, weil Reisen bildet ja und der Austausch mit anderen Kulturen ist halt auch wichtig.
Was bedeutet das?
Ich könnte hier jetzt fordern, dass wir eine Aufklärungsoffensive in den Städten brauchen. Dass solche Alltagskompetenzen in den Schulen unterrichtet werden müssen. Was ja bei uns die Landfrauen schon lange machen und nun in Bayern mit “Schule fürs Leben” auch noch professioneller umgesetzt wird. Aber schaut euch das Ruhrgebiet an. Schaut euch Berlin mit seinen 3,6 Mio Einwohnern an. Wo soll man da noch ansetzen? Der Zug ist wohl eher abgefahren, oder habt ihr hier noch Hoffnung?
Gestern habe ich in den Podcast von Micky Beisenherz “Apokalypse und Filterkaffee reingehört. Da erfährt man dann, dass Herr Beisenherz Kuhmilch aus seinem Leben verbannt hat. Nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern weil der Haferdrink von der von ihm erwähnten Firma so “unglaublich gut schmeckt”. Da fragt man sich schon, ob der eine Werbevertrag mit der Firma hat? Aber Gottseidank war Thomas Hitzlsperger bei ihm zu Gast, der von einem Bauernhof stammt. Er bricht hier eine Lanze für die Kuhmilch und wirbt für die Unterstützung der Milchbauern.
Was haben diese Worte gut getan. Danke, Thomas Hitzlsperger! Vielleicht gibt’s ja doch noch Hoffnung!