Früher war alles besser?

In den letzten Wochen und Monaten habe ich mich in den sozialen Medien und im “realen” Leben mit LandwirtInnen unterhalten und es kam immer wieder die Feststellung, dass es unser Berufsstand in der heutigen Zeit nicht leicht hat und darum zu überlegen ist, ob man sich das noch länger antun soll. Die ganze Protestbewegung um LsV fußt darauf. Es wird dargelegt, wie schlecht man wirtschaftlich dasteht, dass die Preise, die man für seine Erzeugnisse erhält, hinten und vorne nicht reichen, um die Kosten zu decken. Und es geht auch um die politischen Rahmenbedingungen, aber natürlich auch um die Stellung der Landwirtschaft in unserer Gesellschaft.

Diese Debatten, diese oft traurigen Einzelschicksale, lassen mich nicht mehr los. Ich bin ein positiver Mensch und sehe alles nicht so schlecht, wie manch andere. Doch diese vielen Aussagen und auch meine eigene betriebliche Situation lassen mich immer wieder hinterfragen, ob ich da noch richtig liege. In den Diskussionen auf Facebook und Twitter habe ich immer wieder versucht zu erläutern, dass es früher auch nicht einfacher war.

Die Zeiten sind nicht einfach…

Ja, die Zeiten sind nicht einfach. Ja, die Preise könnten besser sein. Ja, mehr Sachverstand in der Politik täte Not, was zu besseren Rahmenbedingungen für uns führen würde. Ja, der Rückhalt in der Bevölkerung könnte größer sein.

Aber: War das nicht schon immer so? Waren die Zeiten früher besser?

Ich weiß nicht, wie es bei euch war. Wenn ich eins gelernt habe in den letzten Jahren, wo ich dank Verbandsarbeit und Social-Media-Bekanntschaften über den Oberneukirchner Tellerrand blicken durfte, dann das, dass kein Hof wie der andere ist. Darum will ich euch hier aufzeigen, wie die letzten 50 Jahre auf meinen Betrieb so waren. Welche Schwierigkeiten es gab und warum es trotzdem diesen Hof noch als Vollerwerbsbetrieb gibt.

Zeitreise 50 Jahre zurück

1970 war mein Vater 23 Jahre alt, vor ein paar Jahren wurde ein neuer Kuhstall mit Ausmister gebaut für 18 Milchkühe. Der größte Bulldog hatte 60 PS, ein IHC 624. Es gab am Hof noch ca. 10 Zuchtsauen und einen DL-Deckeber. Zu dem wurden aus dem ganzen Umkreis die Sauen zum Decken gebracht, wofür mein Großvater Deckgeld erhielt. Außerdem gab es noch ein paar Hühner und Zuchttauben. Die Pferde waren zu dem Zeitpunkt meines Wissens schon abgeschafft. Es war 23 Hektar eigene Fläche vorhanden, gepachtet war nichts. Und 7,5 ha Wald. Kühe und Kalbinnen kamen auf die Weide.

Der Vornerhof um 1960

Mein Vater musste von klein auf schwer arbeiten, hat mit 12 Jahren schon den Mähdrescher gefahren und alle anderen Maschinen und Bulldogs bedient, mein Opa hatte keinen Autoführerschein und hat auch das Bulldogfahren frühzeitig seinen Sohn überlassen. Sprich, eine gute, alte Zeit hatte mein Vater in seinen Kindheits- und Jugendjahren nicht.

In den 70ern haben dann meine Eltern geheiratet, ein neues Wohnhaus gebaut und Ende der 70er Jahre den Kuhstall schon wieder umgebaut. Es waren danach 9 Kuhplätze mehr und statt dem Entmister wurde auf der Kuh- und der Jungviehseite ein Güllekanal eingebaut. Dafür wurde auch einen neue Güllegrube mit gut 500 m3 gebaut. Es wurde ein 100-PS Hinterrad IHC 1046 angeschafft und diverse andere Maschinen. Das alles zu einer Zeit, wo man bis zu 14 % Zinsen zahlen musste, mit meinen zwei Brüdern zwei kleine Kinder da waren und mit diesem Hof so inkl. meiner Großeltern und der Großtante doch einige Menschen zu versorgen waren. Mein Vater ging in dieser Zeit noch auf Baustellen zum “Handlangen”, damit noch etwas Geld rein kam.

“A hofnachfolger was born”

In den 80er Jahren kam dann ich erstmal auf die Welt :-), womit die Familie komplett war. Die 80er waren das Jahrzehnt der Milchkontingentierung. Meine Eltern hatten aufgrund von Fruchtbarkeitsproblemen im Bemessungszeitraum keinen vollen Stall und dadurch erhielten sie relativ wenig Kontingent, weil sie aufgrund der Mastbullen, die vom eigenen Nachwuchs fertig gemästet wurden, auch kein Härtefall waren. Es wurde das erste Fahrsilo gebaut, obwohl noch viele Jahre die Hochsilos in Betrieb waren, wo mit der Hand das Grassilo herausgegabelt werden musste. Erst 1988 wurde auch für das Gras ein Fahrsilo gebaut. 1982 und 1985 wurde in die Sauenhaltung investiert, wodurch dann 25, später 30 Zuchtsauen gehalten werden konnten, ganz modern auf Spalten. Geschrotet wurde alles mit einer selber umgebauten fahrbaren Mühle, die man mit der Zapfwelle des Bulldogs antreiben konnte. Das Getreide war im 1. Stock auf Haufen gelagert und zum Ansaugen musste man ständig die Saugleitung umbauen und Getreide schaufeln. Das hatte sich erst 2001 erledigt. Wann genau der Mähbalken durch ein Trommelmähwerk ersetzt wurde, weiß ich nicht sicher, denke aber auch in den 80er Jahren. Bis Ende der 80er Jahre wurde mit einem Lanz Alldog Geräteträger das Getreide gesät. Ich kann mich noch lebhaft daran erinnern, wie ich dabei immer mitgefahren bin! Dann wurde 1989 noch eine neue Maschinenhalle gebaut, wobei auch die bestehenden Fahrsilos überdacht wurden. Was damals Luxus war, hat sich später rentiert, weil dort nun Getreidelager und Hackschnitzellager untergebracht sind. Waldarbeit war immer schwere Handarbeit, in die auch meine Mutter voll eingebunden war. Nicht überall kam man mit dem Schlepper ran, gerne blieben die Schlepper auch mal stecken oder Bäume fielen einfach nicht um. Das Bauholz für die verschiedenen Baumaßnahmen war alles aus dem eigenen Wald. Das Holz wurde selber zum Sägewerk gefahren, daheim zum Trocknen aufgerichtet, und dann wieder zum Zimmerer zum Abbinden gefahren.

Auch früher gabs Bürokratie

In den 90ern gab es dann die Flächenausgleichszahlungen. Da wir ja unsere Stierkälber selber gemästet haben, haben wir immer die Bullenprämie beantragt, für die dann Ackerflächen als Futterflächen ausgezeichnet werden mussten, für die man dann keine Flächenprämie erhielt. Es war damals schon kompliziert! Auf dem Hof hat sich in dieser Zeit nicht so viel getan. Eine weitere Güllegrube wurde gebaut als Ersatzbau alter Jauchegruben, diverse Maschinen angeschafft, auf mein hartnäckiges Betteln wurde ein Case 5130 Maxxum gebraucht gekauft. Ende der 90er Jahre haben meine Brüder in der Siedlung Haus gebaut und ich habe nach der Realschule mit meiner Ausbildung zum Landwirt begonnen, was durchaus auf Unverständnis traf, weil viele erst mal “was Gscheids” gelernt haben und danach evtl. noch Landwirtschaft. In meinem Landkreis waren wir damals nur fünf in meinem Ausbildungsjahrgang. So wenige waren es seitdem nie mehr. Die Getreidepreise waren über Jahre hinweg schlecht, die Preise für Milchkontingent hoch. Bei den Sauen hatten wir einen PRRS-Ausbruch. In diesen Jahren haben bei uns viele ihre Landwirtschaft aufgegeben und verpachtet. Meist kleinere Betriebe, als wir, aber nicht nur. Dabei haben wir von unserem Nachbarn 5 Hektar dazugepachtet.

Der Vornerhof um 1990

Dann kam das Jahr 2000. Nach meiner Fremdlehre haben wir uns auf meine Initiative dafür entschieden, die Milchkühe herzugeben und voll auf Ferkelerzeugung umzustellen. Es wurde in den Jahren 2001 und 2002 der alte Milchviehstall und ein weiteres Gebäude umgebaut und ein Stall für Abferkeln und Decken neu gebaut. Seitdem habe ich, auch nachdem 2007 mein Vater verstorben ist, viel investiert in Arbeitserleichterungen. Zum Beispiel in die Getreidetechnik oder dass tägliche Arbeiten alleine ohne Probleme zu erledigen sind. Fast alle Schlepper und Maschinen wurden seitdem ersetzt, teilweise in Maschinengemeinschaften. Auch eine Seilwinde und ein Rückewagen wurden gemeinsam angeschafft. Ich habe die Dächer mit Photovoltaikanlagen bestückt und vor 3 Jahren das Wohnhaus renoviert und angebaut.

Jetzt wieder zurück in die Gegenwart!

Ich habe es versucht, aber es ist mir gar nicht möglich, aufzuschreiben, wie viel meine Eltern geleistet haben. Und wie viele Probleme es gab. Wie viele politische Entscheidungen getroffen wurden, die für meine Eltern nicht von Vorteil waren. Warum schreibe ich das hier alles? Weil ich darlegen will, wie schön ich es heute habe. Diesen Winter habe ich von Mineralfutter in Säcken auf lose umgestellt, weil es eine Arbeitserleichterung ist. Das war nicht billig, aber ich hab es mir geleistet. Mein erster Urlaub war als Jugendlicher mit meinen Eltern drei Tage in Österreich. Meine Brüder haben daheim die Arbeit gemacht. Meine Kinder fahren mit uns seit quasi 0 Jahren zweimal im Jahr weg. Ich habe kürzere Arbeitstage als mein Vater und dadurch mehr Zeit für meine Kinder. Wir versuchen, an den Wochenenden außer Stallarbeit nichts am Hof zu arbeiten und noch dazu bin ich abends und auch oft untertags mit meinen Ehrenämtern unterwegs.

Packen wir’s an!

Ja, es gibt viele Herausforderungen. Seit letztem Jahr gebe ich Gülle ab. Ich habe mir teure Schleppschuhtechnik angeschafft. Das Isoflurangerät ist bestellt und teure Umbauten im Schweinestall stehen in den nächsten Jahren an. Aber wenn ich mir überlege, was meine Eltern schon alles geschafft haben, ist mir für meine Zukunft auch nicht bange. Ich nehme die Ungerechtigkeiten, die uns Bauern durch Politik und Gesellschaft derzeit widerfahren, nicht einfach hin. Aber ich nehme mir dies alles auch nicht zu sehr zu Herzen. Ich kämpfe mit allen fairen Mitteln, um für mich und meine BerufskollegInnen das Beste zu erreichen. Aber wenn ein Kampf verloren ist, jammere ich dem nicht hinterher, sondern schaue, wie ich die neuen Herausforderungen auf meinen Betrieb meistern kann. Und das macht mir sogar irgendwie Spaß. Sonst wäre doch das Leben auch langweilig, oder?

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