Kürzlich bin ich beim Lesen meiner Tageszeitung, dem Mühldorfer Anzeiger, im Regionalteil auf einen Artikel gestoßen, dass Edeka und Penny umziehen.
Warum?
Weil mal wieder die Ladenfläche zu klein geworden ist… Was sonst.
Bevor jetzt vom Leser die Befürchtung entsteht, dass hier kommunale Problemchen aus meinem Heimatlandkreis lang ausgebreitet werden – das übergeordnete Thema folgt gleich.
Kurz die Hintergründe:
Die Stadt Mühldorf am Inn ist im Norden in den letzten Jahren enorm gewachsen. Die Einwohnerzahl ist in den letzten 20 Jahren von 17000 auf 21000 gestiegen, die Autobahn wurde vor ein paar Jahren fertig gestellt und am Zubringer reiht sich ein Gewerbe und Markt aneinander. Dazwischen befinden sich noch landwirtschaftliche Flächen, die noch genutzt werden, aber über kurz oder lang natürlich auch überbaut werden. Eine dieser Flächen soll nun mit einem neuen Edeka und einem neuen Penny bebaut werden, natürlich mit noch mehr Parkplätzen. Angeblich soll dieses Mal wenigstens der Edeka zweistöckig gebaut werden, ich denke mit Büroflächen im Obergeschoss, aber “Tiefgaragen und in die Höhe gebaute Parkdecks werden bei uns auf dem Land von Kunden nicht angenommen”.
Bei diesem Satz fragt man sich ungläubig, wer das bitte glauben soll?
In diesem Jahr waren wir in Slowenien im Urlaub. In Bled wollten wir uns mit Wasser im Supermarkt versorgen und wollten dort parken, aber die 10 Parkplätze waren schon voll. Erst dann hab ich bemerkt, dass es eine Tiefgarage gibt. Ich fand es super. Man fährt mit den Aufzug rauf, steht gleich im Geschäft und muss nicht ewig weiter über Pflastersteine seinen Wagen schieben. Warum so etwas nicht angenommen werden sollte, erschließt sich mir nicht. Eher werden die Kosten abschrecken. Aber wenn man ein Gebäude nach 14 Jahren schon wieder aufgeben kann, kann man auch eine Tiefgarage bauen. BtW – Wir Bauern können einen Stall nicht auf 14 Jahre abschreiben, unsere Kundschaft tut sich hier anscheinend leichter…
Photovoltaik über den Parkplätzen?
Wenn das schon nicht möglich ist, frage ich mich, warum es nicht Pflicht ist, die Parkplätze mit Photovoltaik zu überbauen und auch die Dachfläche voll zu machen?
Auch kann man durchaus auch zwei Stockwerke oben drauf setzen, bei der Wohnungsknappheit, die in Mühldorf herrscht. Aber in einer Stadt, wo vor einem Jahr an anderer Stelle ein Edeka als Ersatzbau getätigt wurde, wo vorher drei Etagen vorhanden waren und jetzt nur noch eine, muss einem das nicht wundern.
Anscheinend ist man in Mühldorf, was hier nur exemplarisch für den Rest Deutschlands steht, der Meinung, dass Fläche weiterhin unbegrenzt zur Verfügung steht. Man leistet dann Ausgleich, dadurch, dass man landwirtschaftlichen Betrieben in den umliegenden Gemeinden Äcker und Wiesen weg kauft zu absurden Preisen und dort dann Greenwashing betreibt. Oder pflanzt Bäume – auch sehr beliebt bei uns in Deutschland.
Das eigentlich Problem, dass wir durch die massive Versiegelung Regenwasser nicht mehr flächig versickern lassen können, sondern teilweise über Kläranlagen in Flüsse ableiten. Dass wir massiv Biodiversität vernichten und dadurch ein Artensterben verursachen. Das wird alles nicht gesehen. Schuld ist nämlich nur die Landwirtschaft. Nicht, dass wir in Bayern seit 1960 840000 Hektar Fläche verloren haben, was der landwirtschaftlichen Nutzfläche von den Regierungsbezirken Schwaben und Unterfranken entspricht. Das alles spielt keine Rolle. Schuld ist nur die Landwirtschaft. Ihr wird sogar hier die Schuld in die Schuhe geschoben, weil sie Flächen verkauft, die dann Bauland werden. Vor einigen Jahren hat das mal der ehemalige bayerische Finanzminister Erwin Huber, angesprochen auf den massiven Verlust Landwirtschaftlicher Nutzfläche den Satz getätigt, dass er das Problem nicht verstehe, da ja Landwirte diese Flächen verkaufen.
30-40000 Höfe wurden so seit 1960 überbaut.
Warum?
- Weil die Bevölkerung Bayerns durch Zuzug von 9,5 Mio auf 13 Mio Einwohner gestiegen ist.
- Weil heute die Quadratmeter Wohnfläche je Einwohner bei knapp 50 m2 liegt, vor 30 Jahren noch bei 35 m2.
- Weil die Verkehrsinfrastruktur enorm ausgebaut wurde und Firmen ihr Lager auf die Straße verlegt haben, weil Straßen die Allgemeinheit bezahlen, Lagerraum die Firma selbst bezahlen muss.
- Weil Innenstädte leer stehen und, wie im oben genannten Beispiel, Geschäfte immer weiter raus ziehen.
Nun wissen wir aber, dass unsere überalterte Gesellschaft nicht mehr anwachsen wird. Auch im Einwanderungsland Bayern nicht mehr. Müsste dann nicht unser Fazit sein, alle Infrastrukturprojekte und Neubaugebiete zu überdenken? Flächenfraß zu unterbinden? Die Bauprojekte, die noch benötigt werden, durch Nachverdichtung zu ermöglichen? Endlich mehrstöckig zu bauen?
Wachstum hat auch mal ein Ende
Anscheinend ist diese Erkenntnis in den Kommunen noch nicht angekommen. Vor einigen Jahren hat der Bayerische Bauernverband einmal eine Tagung zu diesem Thema angeboten. Das Interesse an kommunalen Vertretern war sehr gering und Taten sind den Erkenntnissen dieser Tagung auch nicht gefolgt. Stattdessen haben auch Bürgermeister*innen Werbung für das Bienenvolksbegehren gemacht. Auch eine Art Greenwashing, um von den eigenen Versäumnissen abzulenken und die Schuld der Landwirtschaft in die Schuhe zu schieben.
Vielleicht brauchen wir ein Volksbegehren, wo am Ende diese Art von Bauvorhaben nicht mehr möglich ist. Ich wäre da sofort dabei! Wer noch?