Luftschlösser

Gedanken zum Agrarkongress der Umweltministeriums

Zum wiederholten Mal bin ich beim Agrarkongress des Umweltministeriums dabei gewesen. Heute leider wieder nur virtuell.
Ich erinnere mich noch lebhaft daran, wie Ministerin Hendricks im Rahmen der ersten Ausgaben des Agrarkongresses im Jahr 2018 nach der Umsetzung eines Gesellschaftsvertrages für die Landwirtschaft gesucht hat. Diese Erfahrung hat einen jahrelangen Denkprozess angestoßen, wie wir gemeinsam tatsächlich einen Gesellschaftsvertrag hinbekommen können, der wirklich auch die meisten Bauern mitnehmen kann. Dazu möchte ich auf diesen Blogpost verweisen, in dem ich meine Überlegungen, den Gedankenprozess dazu im Juli 2021 niedergeschrieben habe:

Heute hat der erste Agrarkongress des Umweltministreriums stattgefunden, nachdem es den Regierungswechsel zur Ampelkoalition gegeben hat. Inzwischen haben die Grünen Regierungsverantwortung erlangt und üben diese direkt im Landwirtschaftsministerium mit Minister Özdemir und Umweltministerium mit Steffi Lemke aus.

Agrarkongress des Umweltministeriums

Ich habe schon in der Vergangenheit kritisiert, dass das Umweltministerium in Konkurrenz zum Landwirtschaftsministerium einen eigenen Agrarkongress einberufen hat. Ich finde heute wie damals, dass die Landwirtschaftspolitik federführend in die Hände des Landwirtschaftsministeriums gehört. Deshalb auch mein kritischer Tweet von heute morgen, der Diskussionen ausgelöst hat, an dem auch Harald Ebner, altbekannter Agrarpolitiker der Grünen, sich beteiligt hat (jeder kann den die Diskussion nachlesen- klick genügt):

Wie lief der Agrarkongress?

Die Gastgeberin, Umweltministerin und -neuerdings- auch Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke, begann mit ihrem Grußwort und betonte hier, dass ein Paradigmenwechsel nötig sei. “Wachsen oder Weichen” dürfe nicht mehr gelten. Das möchte sie mit der Umverteilung der EU-Agrarsubventionen erreichen. In der Begründung durfte die Phrase “Öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen” natürlich nicht fehlen. Na klar- eine Forderung vieler UmweltNGOs und oppositioneller Grüner aus den vergangenen Jahren. Nach diesem Grundsatz sollen künftig die Gelder verteilt werden. Das ist grundsätzlich in Ordnung- nur die öffentliche Leistung, die Ernährungssicherung, wird anscheinend nicht als wichtiger Parameter angesehen. Mit dieser Position fremdle ich.

Vegan – vegetarische Ernährung

Was mir bei den einleitenden Worten von Ministerin Lemke auffiel: Sie bedankte sich für die Offenheit von Bauernpräsident Rukwied gegenüber Veganer bzw. vegetarischen Ernährungstrends. Die NOZ berichtete am Vortag (Link).
Meine Meinung dazu: Es mag ja sein, dass pflanzliche Ernährungstrends eine Chance für Landwirte sein können, aber für die Landwirtschaft in der Breite ist dieser Trend eher ein Problem!

Özdemir

Nach einem EU-Kommissar, dessen Rede ich sehr reich an Floskeln, aber ohne konkrete Aussage wahrgenommen habe, durfte Özdemir ans Rednerpult. Hier betonte er noch einmal das Ziel der Bundesregierung, 30% Ökolandbau bis 2030 erreichen zu wollen. Er betonte den Schulterschluss des Landwirtschaftsministeriums mit dem Umweltministerium. Immer wieder wurden Vergleiche mit dem Fußball bemüht. Den Begriff der “Ernährungssicherung” hat er in meiner Erinnerung nicht genannt.

“Die Zeit ist reif, Landwirtschaft, Natur-, Umwelt- & Klimaschutz zusammen zu denken”

Cem Özdemir beim Agrarkongress des Umweltministeriums

Borchert- & Zukunftskommission

Mit dem ehemaligen CDU-Landwirtschaftsminister Jochen Borchert und Prof. Peter Strohschneider wurden auch die jeweiligen Vorsitzenden der Kommissionen befragt, die sich mit der Zukunft der Nutztierhaltung (Borchert) und der zukünftigen Landwirtschaft insgesamt (Strohschneider) befasst haben.
Für beide steht fest: Ein Wandel der Landwirtschaft ist nötig, nur die Finanzierung muss sichergestellt sein- und das ist Aufgabe der Regierung.
Beide betonten, dass diese Transformation (“Agrarwende” wurde auffallend wenig erwähnt während dieses Kongresses) eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei.

Die Frage der Finanzierung

Nun gut- der Verlauf dieses Kongresses (soweit ich ihn verfolgen konnte) war schon sehr harmonisch. Die Gemeinsamkeiten wurden deutlich betont, jeder sei bereit für Veränderung.
Allerdings steht und fällt hier der große Plan mit der Frage der Finanzierung, die weitgehend ausgeklammert wurde.

“Wer soll das bezahlen?”

Der Abschlussbericht der Zukunftskommission betont die Notwendigkeit, dass Maßnahmen für mehr Umwelt-, Klima- und Tierschutz auch vergütet werden müssen. Sozusagen ein Finanzierungsvorbehalt.
Die neue Bundesregierung geht hier anscheinend einen anderen Weg: “Die Richtung ist klar” (O-Ton Özdemir)- bei den Möglichkeiten der Umsetzung wird noch nach Einigkeit und Wegen gesucht.
Lediglich die geforderte – und im EU-Kontext unsichere Umsetzung – Umverteilung der EU-Agrarsubventionen wurde hier konkret als Finanzierungsinstrument herangezogen. Diese machen aber (leider) einen erheblichen Anteil am Betriebsgewinn eines durchschnittlichen Hofes aus und wenn hieran zusätzliche Bedingungen geknüpft werden, wird unter dem Strich weniger bei den Bauernfamilien zum Leben übrig bleiben.

“Die Richtung ist klar”

Cem Özdemir

Na klar, die Grünen wollen in ihrem Sinne voran kommen und nicht lange warten. Für mich als aktiver Landwirt und Nutztierhalter stellen sich angesichts dieses forschen Vorgehens auch Fragen, ob vielleicht doch zunächst die Regeln und anschließend die nötigen Ausgleichszahlungen -die lange vage und unsicher bleiben können- kommen könnten. Eine gewisse Skepsis und Unsicherheit wird dadurch unweigerlich bestärkt (diese Skepsis richtet sich gar nicht konkret gegen Grün, sondern generell an die politische Klasse, die es in den letzten Legislaturen bestimmt nicht gut gemacht hat).

Jedenfalls sind die Pläne groß, stehen und fallen aber mit der ausreichenden Finanzausstattung und den Perspektiven an den Märkten.

Bisher nur Luftschloss

Bisher ist alles, was Lemke und Özdemir als Spitzen ihrer Ministerien gezeichnet haben, ein riesiges und auch schönes Luftschloss. In wieweit dieses in die Realität übertragen werden kann, hängt von nicht unerheblichen Transferzahlungen ab.
Bleibt es bei den steigenden Anforderungen an die Landwirtschaft, aber die Finanzierung liegt unter Vorbehalt bzw. zusätzliche Anforderungen müssen eingepreist werden, wird die Landwirtschaft leiden. Dann werden Bauern den Hof schließen (müssen).

Um so wichtiger ist in meinen Augen, dass die Bundesregierung die Worte von Borchert und Strohschneider ernst nehmen:

“Dieser Transformationsprozess ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe!”

Borchert & Strohschneider

Fazit: es bleiben grundsätzliche Fragen

So- und nun am Ende dieses Blogpost- frage ich mich, wie ich diesen Kongress einschätzen soll?

Hat die Landwirtschaft eine Zukunft?

Genauer gesagt: Hat die hiesige Landwirtschaft eine Zukunft und sorgt auch in Zukunft für die wesentliche Versorgung an Lebensmitteln in Deutschland?

Der Begriff “Ernährungssicherung” ist auffällig selten gefallen. Ich habe den Eindruck, der Verlauf dieses Agrarkongresses ist ein Sinnbild für die Sattheit unserer Gesellschaft.

Ich habe noch zu wenig Vertrauen in die aktuellen politischen Ziele und beobachte die Möglichkeiten, die sich vielleicht noch ergeben könnten.

Naturschutz ohne Bauern ist einfach

Zugegeben: Die aktuelle Bundesregierung versucht die Quadratur des Kreises. Viele Ziele bezüglich Umwelt- und Naturschutz lassen sich viel einfacher ohne die lästigen Bauern umsetzen…

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  1. Der “Agrarkongress” war durchgängig geprägt von grün-schleimiger Harmoniesoße. Eine echte Diskussion fand nicht statt. Eine Begründung für eine Notwendigkeit einer Transformation ist nicht mehr gefragt, die Transformation kommt, und wer die hinterfragt ist von gestern oder ein Transformationsleugner. Alle Narrative werden bedient, Bio ist gut, junge Mädchen besitzen per se Kompetenz, Fleisch ist klimaschädlich, und der ganze Quatsch ist von der Mehrheit der Bevölkerung gewünscht. Und mittendrin ein offensichtlich orientierungsloser Bauernvertreter (Vicepresident), dessen einziges Bemühen darin beseht, ja nirgends anzuecken. Auf falschen Fakten aufbauend, wichtige Fragen einfach ausblendend und von totaler Harmonie geblendet kann diese Geisterfahrt nur gegen die Wand gehen, hoffentlich schnell.

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