Märchenzeit: Sarah Wiener erzählt was zur Landwirtschaft

Viele kennen sie: Sarah Wiener, österreichische Unternehmerin, Fernsehköchin, Buchautorin und, sofern die österreichische Wählerschaft dies wünscht, demnächst grüne EU-Parlamentarierin. Ferner tourt sie als Verfechterin einer ökologischen Landwirtschaft durch die bundesdeutsche Medienlandschaft, wobei sie wortgewaltig die Agrarindustrie zu verteufeln pflegt.

Da sie der unreflektierte bzw. unwidersprochene Umgang von Medien, Ministerium und Verband mit den Aussagen Wieners störte, hat die österreichische Bloggerin und Bio-Landwirtin Birgit Medlitsch das Heft des Handelns in die Hand genommen und einiges davon auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft. Das Resultat liegt als lesenswerter Blogpost und Märchenerzählung in mehreren Teilen vor: „Die 5 Märchen der Sarah Wiener“. Birgit Medlitsch hat BlogAgrar die Erlaubnis erteilt, die auf ihrem Blog Das ist los. veröffentlichten Märchen an dieser Stelle online zu stellen.

Nummer 1: Das Märchen von den Agrarsubventionen.

Wir sehen weites Land.
Unser Land.
Das Land unserer Bauern.
Land, auf dem das wächst, was wir brauchen.
Bestellt, behütet und beerntet.
Da steht er, der Bauer.
Ein Mensch, der nichts anderes möchte,
als das bewahren, was uns ernährt.
Wissend um die Natur. Wissend um alles,
was das bedroht, was uns ernährt.

Er lebt in und mit der Natur und trotzt ihren Gewalten, wenn es darum geht, das zu tun, was getan werden muss. Weil es die Natur verlangt. Und er tut es gern. Und ehrlich.

Und jetzt?
Jetzt kommt Sarah.
Sarah erzählt ihm, dass er es nicht richtig macht.
Also falsch macht er es.
Ganz falsch.
Und Geld bekommt er. Agrarsubventionen, also Förderungen.
Und die soll er gar nicht bekommen.
Sagt Sarah.

Das Märchen von den Agrarsubventionen.

Sarah erzählt uns etwas über Landwirtschaft. Sie erzählt von Agrarsubventionen, die jeder bekommen kann. In einem Interview (Ö1 Morgenjournal, 20.3.2019) sagt sie:

„Wir haben eine Landwirtschaft, wo man einfach Fläche subventioniert. Also jeder Hektar wird subventioniert, egal, was Du da machst, und wer’s hat, und ob er überhaupt Landwirt ist. Und natürlich bin ich dagegen.“

Gut, dass Sarah Wiener dagegen ist. Ich bin nämlich auch dagegen. Weil es so etwas nicht gibt. Das, was Sarah Wiener in diesem Interview gesagt hat, gibt es nicht.

Die Wahrheit über die Agrarsubventionen.

Wenn man kein Landwirt ist, bekommt man auch keine Agrarsubventionen. Um Agrarsubventionen, von unseren Bauern schlicht „Förderungen“ genannt, zu erhalten, muss man einen Antrag stellen, den sogenannten Mehrfachantrag. Dafür ist eine landwirtschaftliche Betriebsnummer erforderlich. Diese bekommt man nicht einfach so. Und es ist auch nicht egal, was man mit dem Land macht. Man muss darauf landwirtschaftliche Produkte erzeugen. Anbauen, kultivieren, ernten. Und noch vieles mehr müssen Landwirte tun, um überhaupt eine Chance auf irgendeine Förderung, sei es nur die von Sarah Wiener gerne genannte „Flächenprämie“, zu haben.

Sarah kann also gern dagegen sein, weil es das, was sie in einem Interview mit Ö1 von sich gibt, nicht gibt. Und sie kann sich hier auch nicht geirrt haben. Denn in Deutschland gelten die gleichen Regeln wie bei uns. Es handelt sich ja um Förderungen der EU.

Recherche in Bayern

Ich habe in Deutschland nachgefragt, und zwar in Bayern. Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten schreibt unter anderem: „So gewährt z.B. die erste Säule Landwirten je Hektar landwirtschaftlich bewirtschafteter Fläche eine von Art und Umfang der Produktion unabhängige Direktzahlung. Um die Direktzahlungen zu erhalten, müssen allerdings gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. Diese sind in Deutschland bzw. Bayern, wie in Österreich auch, u. a. eine Betriebsnummer und der Mehrfachantrag. Zudem müssen die Landwirte eine Reihe von Auflagen beim Umweltschutz aber auch bei der Lebensmittelsicherheit und beim Tierschutz einhalten. […]

Die zitierte Aussage von Frau Sarah Wiener „Also jeder Hektar wird subventioniert, egal, was Du da machst und wer es hat und ob er überhaupt Landwirt ist“ ist auch für deutsche bzw. bayerische Landwirte schlichtweg falsch.

Kein Korrektiv

Da behauptet Sarah Wiener in einem Interview etwas, was hinten und vorne nicht stimmt, und niemand sagt etwas dazu. Kein Korrektiv.

Nicht von der Landwirtschaftsministerin, Elisabeth Köstinger, nicht vom Präsidenten der Landwirtschaftskammer, Josef Moosbrugger, und nicht vom Präsidenten des Österreichischen Bauernbundes, Georg Strasser. Wenigstens der – als Präsident einer Teilorganisation der ÖVP – hätte doch etwas sagen können, um den Schwachsinn richtig zu stellen. Nein.

Und die Medien? Was machen die? Die teilen das den Lesern 1:1 mit. Nicht nachgeprüft. Nicht kritisch hinterfragt. Einfach so. Abgeschrieben. Die APA schickt es aus, die deutsche Presseagentur ebenfalls, und diverse Tageszeitungen drucken den Schwachsinn unkommentiert ab.

Eine Schande für die freie Presse und eine Schande für die Vertreter der Landwirte.

Da stellt sich schon die Frage, ob Journalisten nur noch „abschreiben“ oder auch noch selbst recherchieren können. Und – was noch schlimmer ist – ob Landwirte in Österreich noch eine Vertretung und Lobby haben. Aber – zurück zu Sarah Wiener. Wenn sie dagegen ist, dass jemand Agrarsubventionen erhält, der kein Landwirt ist, hätte sie ja für Gut Kerkow auf 316.867 Euro (im Jahr 2017, 320.100 Euro im Jahr 2016) verzichten können. Man muss ja keinen Mehrfachantrag einreichen. Niemand wird dazu gezwungen. Die Förderungen kommen ja nicht automatisch. Da muss man schon etwas dafür tun.

„Theoretische Landwirtin“ Sarah Wiener

Und sie hätte sie ja auch nicht nötig. Denn anders als die richtigen Landwirte, braucht Sarah Wiener keine Bank, bei der sie alle paar Monate untertänigst vorstellig werden muss. Sie braucht auch nicht zittern, dass sie den Kredit nicht zurückzahlen kann, weil die Ernte katastrophal schlecht ist, weil es nicht regnet oder der Derbrüsselkäfer die Zuckerrüben eliminiert hat.

Das braucht sie alles nicht. Warum? Das erfahren Sie in Kürze auch bei BlogAgrar:

Die 5 Märchen der Sarah Wiener. Märchen Nummer 2.

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