Menge der abgegebenen Antibiotika in der Tiermedizin halbiert

Zeit für gute Nachrichten: Um mehr als die Hälfte ist die Menge der abgegebenen Antibiotika in der Tiermedizin gesunken, wie aus der aktuellen Pressemitteilung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zu entnehmen ist.

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Allerdings ist die Abgabemenge der sogenannten Reserveantibiotika im gleichen Zeitraum leicht angestiegen, was wahrscheinlich von den notorischen Kritikern der modernen Landwirtschaft bzw. der Tierhaltung kritisiert werden wird. Ich bin gespannt, wie die Schlagzeilen in den Medien zu dieser Meldung ausfallen werden.*

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(c) Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)

Das Thema ist sehr komplex und nicht so leicht für jedermann leicht zu erklären. Es werden zunächst nur die Mengen erfasst, die abgegeben wurden. Dabei geht aus der Tabelle, die das BVL auch veröffentlicht hat, nicht hervor, wie wirksam ein Antibiotikum ist und wie viele Tiere sich mit einer Mengeneinheit behandeln lassen. Die Wirkstoffe, die immer schon höhere Aufwandmengen benötigten, wurden ziemlich radikal gemieden. So haben die Tetrazycline und Sulfonamide die stärksten Nachfrageverluste zu verzeichnen gehabt. Und das obwohl in vielen Fällen diese Antibiotika durchaus noch gut gewirkt hätten. Nur ist dort die Wirksamkeit nur mit höheren Dosen gegeben und auch die Dauer der Therapie dürfte etwas länger sein. Reduzierte Aufwandmengen in der Therapie sind gefährlich, denn gerade dann, wenn zu niedrig und nicht zu Ende behandelt wird, steigt das Resistenz-Risiko. Und dieses Risiko möchte man ja eigentlich reduzieren.

Natürlich ist es zunächst positiv, wenn die Menge insgesamt gesenkt werden kann, ohne dass die Tiergesundheit darunter leidet. Aber das Ziel war ja, die Gefahr der Resistenzbildung auch für die Humanmedizin zu reduzieren. Und da glaube ich, haben wir mit dem Antibiotikamonitoring, das ich und meine tierhaltenden Berufskollegen mitmachen müssen, bzw. die Strafmaßnahmen, die bei Überschreiten einer variablen Grenze fällig werden, die falschen Instrumente.
Hier werden lediglich reine Mengenreduzierungen erreicht, mehr nicht. Ich halte die Drohkulisse aus Sanktionen und Strafen in einem Klima des ständigen Misstrauens für nicht zielführend. Pragmatische Politik ist in Zeiten, in denen Parteien und NGOs sich auf Kosten der Landwirtschaft profilieren wollen, wohl nur ein frommer Wunsch.

Das BVL hat mit der Pressemitteilung auch noch eine weitere Grafik veröffentlicht, die möglicherweise fehlinterpretiert werden könnte:

(c) Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)
(c) Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)

In dieser Landkarte fallen natürlich als erstes die dunkelroten Gebiete auf. Eine voreilige Schlussfolgerung wäre, dass in diesen Gebieten mit intensiver Tierhaltung die Tiere häufiger behandelt werden (müssen) als im übrigen Bundesgebiet.
Es ist richtig und auch logisch, dass in viehstarken Regionen auch absolut mehr Therapiebedarf besteht. Allerdings muss auch berücksichtigt werden, dass auch in dieser Region große Tierarztpraxen angesiedelt sind, die nicht nur vor Ort praktizieren, sondern z.T. im gesamten Bundesgebiet unterwegs sind.
Aus diesem Grund kann man aus dieser Grafik nicht die Behandlungsintensität und -häufigkeit (pro Tier) ableiten.

Wie ich schon häufiger in diesem Blog geschrieben habe, ist die Landwirtschaft ein Teil des Problems, aber auch Teil der Lösung. Ich plädiere dafür, nicht nur auf andere zu zeigen, sondern eine ganzheitliche Lösung zu finden, wie es z.B. im Blogpost One-Health beschrieben wird.
Die Erfassung der Antibiotikagaben in dem staatlichen Monitoringprogramm kann ich gut heißen. Hier wurden die Bauern für das Thema sensibilisiert. Aber die reine Fokussierung auf die absoluten Mengen ist für mich kontraproduktiv. Sicherlich wird inzwischen etwas zögerlicher mit Antibiotika therapiert und mit anderen Maßnahmen (Vitamine, Impfungen, größere und einheitlichere Tiergruppen etc.) vermieden, aber vermutlich werden einige Tiere auch zu spät behandelt, weil der Ehrgeiz beim Einsparen zu groß war. Und wenn eine Therapie mit Antibiotika ansteht, dann wird wohl oft (mache ich selber auch) auf Mittel ausgewichen, die sehr gut wirken. Man möchte möglichst nicht in die Kategorie fallen, in der zunächst bürokratische Maßnahmenpläne erstellt werden müssen und möglicherweise Kontrollen und Strafen drohen. Mit diesem Umstand kann dann sicher auch erklärt werden, warum die Mengen bei den sogenannten Reserveantibiotika im selben Zeitraum gestiegen sind. Diese wirken bei relativ niedriger Aufwandmenge und kurzer Therapiedauer.

* ) Wie dieses Thema medial bzw. politisch ausgeschlachtet wird, kann man vielleicht an folgendem Tweet des Journalisten MeyerFünffinger ableiten, den der Landwirtschaftsminister aus Nordrhein-Westfalen, Johannes Remmel (Grüne), promt retweetet hat:tweet_antibiotika_remmel

Es wird eine Prozentzahl rausgehauen, ohne auf den geringen Ausgangspunkt in 2011 hinzuweisen. Dass letztlich die praxisfernen Kategorien beim Antibiotikamonitoring und den daraus folgenden Drangsalierungen eine Ursache für den Anstieg der Reserveantibiotika sind, werden die wenigsten Medien feststellen. Noch weniger wird gefragt werden, wer möglichst schnell dieses Programm eingeführt haben wollte (Es wurde offenbar mit sehr heißer Nadel gestrickt und entsprechend viele Schwachstellen eingebaut) und unbedingt auch sofort Sanktionen und Strafen damit verknüpfen wollte.
Es wird niemand dafür verantwortlich sein (wollen).
Am Ende sind es wieder die Bauern, die konventionellen Bauern, die bösen Massentierhalter. Ideologien können so einfach sein.

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