Der Letzte macht das Licht aus?

Gesendet im Bayerischen Rundfunk im Jahr 2016.

Hast Du/ Haben Sie das Video angesehen?

Ich hab es mittlerweile schon sehr oft gesehen. Vor gut drei Jahren bei Capriccio, einem Kulturmagazin beim Bayerischen Rundfunk gesendet, läuft es seitdem regelmäßig auf den Social Media Kanälen des BR. Zuletzt im Sommerloch auf den Facebookseiten von Unser Land und Capriccio.

Thema “Bauernsterben” weiter aktuell

Dabei passt es inhaltlich zum Teil nicht mehr, da das Thema Milchpreis derzeit nicht so im Mittelpunkt steht wie zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung. Das Thema “Bauernsterben” dagegen ist immer noch aktuell. Auch darum wird wahrscheinlich dieser Beitrag immer wieder aus dem Archiv geholt.

Resthöfe sind gefragt

Nur werden hier zwei völlig verschiedene Zustände ineinander verwoben, die so nicht zusammengehören. Höfe, wie der im Film zeigt, stehen leer, weil der Besitzer keine Nachkommen hatte und anscheinend die Erben den Hof noch nicht verkauft haben, obwohl solche Gehöfte sehr gefragt sind bei reichen Städtern.
Wegen dem damals ruinösen Milchpreis enstehen keine solchen Höfe. Zu 99 % schaffen es die Landwirte bis zur Rente, danach wird, wenn kein Hofnachfolger vorhanden ist, die Fläche verpachtet, das Vieh verkauft und das war´s dann.

Bauernhöfe sterben leise

Die Aufgabe landwirtschaftlicher Betriebe, die Mühldorfs Kreisobmann Ulrich Niederschweiberer beschreibt, sind eben diese andere Seite. Bauern und ihre Höfe sterben leise, heißt es im Film und das stimmt. Meist, so ist es meine Erfahrung, sind Höfe ohne Landwirtschaft nur an den leeren Fahrsilos und dem fehlenden Stalllicht morgens und abends zu erkennen. Die bei uns klassischen Vierseithöfe bleiben weiter bestehen. Oft findet sich nach der Betriebsaufgabe sogar die Zeit, dass man alles wieder sauber herausputzt und so passt mein Bild von Höfesterben nicht zu dem des oben verlinkten Films.

Wehmütiges Erinnern an die alte Zeit

Trotzdem stimmt mich dieser Film traurig. Der Verlust unserer bäuerlichen Gesellschaft. Diese Gemeinschaftsgefühl, dass verloren geht. Meine Kindheits- und auch noch Jugenderinnerungen, wo eine lange Schlange von Traktoren vor dem Lagerhaus stand zum Mineraldünger holen mit kleinen Traktoren und Streuern mit max. 500 kg. Wo lange geratscht (geplaudert) wurde, bis man endlich dran war zum Verladen.
Die Zeiten, in denen meine Nachbarn, die im Nebenerwerb ein paar Kühe hatten, sind nun schon einige Jahrzehnte vorbei, aber auch in den letzten Jahren haben bei mir in der Gemeinde immer wieder ein paar Höfe zu gemacht. Auf den Feldern fahren jetzt nicht mehr die über Jahrzehnte gewohnten Bulldogs, sondern die Maschinen der Pächter. Was der Lauf der Zeit ist, macht mich wehmütig.

Im Gegensatz zu unserer Gesellschaft, die das Bauernhofsterben mit dem Verlust von Biodiversität und dem Phänomen Massentierhaltung und Umweltbelastung durch Landwirtschaft gleichsetzt, sehe ich hier eher Punkte der Ländlichen Entwicklung wie Schlafdörfer und den Verlust bäuerlicher Kultur. Denn dass früher alles besser war, ist halt leider ein Bauernmärchen, dass man sich in Großstädten gerne erzählt.

Mein Hof um das Jahr 1960.

Bauer mit Tradition

Nehmen wir mal mich als Beispiel. Ich habe meinen Stammbaum bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgt. Bei allen Linien waren es immer Bauern. Die Wahrscheinlichkeit ist also groß, dass in meinen Genen nur Bauernblut fließt. Dass dies vielleicht nach mir zu Ende gehen könnte, kann ich mir nicht vorstellen und will ich mir auch gar nicht vorstellen. Aber bei sehr, sehr vielen Höfen in Deutschland war das schon der Fall und es werden noch einige dazu kommen.
Höfe, über Jahrhunderte im Familienbesitz, über Jahrhunderte durchgängig mit Vieh auf dem Hof, wo es auf einmal still wird. Wo zum Arbeiten weggefahren wird und der Hof nur noch zur Freizeitgestaltung dient. Diese “besondere” Vergangenheit können Menschen außerhalb der Landwirtschaft nicht nachvollziehen. Sie ist aber etwas, was uns Bauern vom Rest der Bevölkerung deutlich unterscheidet!

Gerhard Langreiter, Jahrgang 1981,
Landkreis Mühldorf an Inn

Bin ich zu nostalgisch?

Ist es nicht so, dass es die Freiheit unserer Gesellschaft zulässt, dass wir freie Berufswahl haben und keiner mehr Bauer werden muss, weil es wie früher, entweder keine andere Möglichkeit gab oder die Eltern die “Wahl” vornahmen?
Dass eben früher auch nicht alles besser war und heutige Betriebsleiter durch ihre moderne Berufsausbildung und der Technisierung viel professioneller, präziser und auch günstiger arbeiten können, als vergangene Generationen und dafür zum Beispiel auf die Pachtflächen der aufgegebenen Betriebe angewiesen sind?

Schizophrenie in der Gesellschaft

Ich weiß nicht – ich halte es immer noch für den falschen Weg. Durch Düngeverordnung, NEC-Richtlinie und vielem mehr werden die Tierbestände weiter sinken. Nur durch die intensive Tierhaltung war es aber bis jetzt in unserer Region möglich, so viele kleine Betriebe zu erhalten. Reduzierung der Tierhaltung hat einen massiven Verlust bäuerlicher Betriebe zur Folge.
Aber die selben Leute, die diesen Film gut finden und die dabei Krokodilstränen vergießen, fordern uns Bauern auf, die Tierzahlen zu reduzieren oder zum Beispiel auf bio umzustellen, wo um einiges mehr Fläche nötig ist, um davon leben zu können.

Meine große Liebe ist die Landwirtschaft

Ich bin nun seit 20 Jahren in diesem Beruf tätig und habe mich in die Landwirtschaft verliebt. Ich liebe meine Arbeit und ich liebe es auch, mich damit zu beschäftigen, neue Projekte zu planen, die Wirtschaftlichkeit von Änderungen im Betrieb zu berechnen und ich liebe es vor allem, über Landwirtschaft zu reden. Wenn aber einer nach dem anderen aufhört, wenn man beim Stammtisch der einzige Bauer ist, mit wem soll man dann seine Liebe teilen?

Hoffnung auf Zukunft

Meine Hoffnung ist noch immer, dass sich noch viel mehr Nischen auftun, in die wir noch aktiven Landwirte stoßen können, sodass es auf den Höfen zwar nicht wie früher ist, aber trotzdem noch Leben darauf zu finden ist. Dazu will ich im Herbst eine Veranstaltung aufziehen und ich hoffe dabei auf viele interessierte Teilnehmer, denn ich will nicht der letzte sein, der das Licht ausmacht.

12 comments Add yours
  1. Gerne: 170 Zuchtsauen, 30 ha, 38 Jahre alt, verheiratet, 2 Kinder, seit August mit Lehrling. Mutter arbeitet auch noch ca. 20 Stunden in der Woche mit. Also ein Vollerwerb mit 23 ha Eigenfläche, so wie es bei uns in der Gegend üblich ist. Einige wenige, die 30-40 ha eigene Fläche haben, der Rest zwischen 20 und 30 ha. Mehr zu mir und meinen Betrieb hier: https://www.youtube.com/watch?v=sytfs2CQPLg
    Familientechnisch ziemlich veraltert, die positive Einstellung ist auch nicht mehr ganz so ungebrochen 😉

    1. Danke, zu mir ,geb. 1960, Landwirtschaftsmeister ,Kaufmann, Direktvermarkter,extensiver Landbau ,Bio,20ha LN,17 ha eigen, 49637 Menslage.
      auch sehr inzwischen ernüchtert, was die Situation der Betriebe unserer Größenordnung und Wettbewerbsfähigkeit angeht.
      In gesättigten freien Märkten verdrängt ein Betrieb von 1700 Sauen 10 Betriebe wie Ihren oder wie sehen Sie das?
      In Bio sieht das genauso aus ,mit Kollegen ,die in unserem Marktsegment expandieren.
      Mir geht es nicht um Schuldzuweisung ,sondern um Ursache und Wirkung.

      1. Grundsätzlich bin ich in so einer Beurteilung immer recht zurückhaltend, weil kein Betrieb ist wie der andere.
        Immer von mir und meinem Hof ausgehend bin ich aber der Meinung, dass ich mit meinen 170 Zuchtsauen sehr wohl konkurrenzfähig bin, wenn Vermarktungsorganisationen und andere ldw. Selbsthilfeorganisationen weiter hinter dieser Betriebsgröße stehen. Auch die politischen Rahmenbedingungen müssen passen, bzw. dürfen nicht zum Nachteil kleinerer Betriebe sein.
        Bei Bio im Speziellen stelle ich auch (verwundert) fest, dass hier manche das große Geld meinen zu finden und dann in eine Größe gehen, die ich nicht nachvollziehen können. Wenn dann (vor allem) mit ausländischen Arbeitskräften dort Biogemüse usw. erzeugt wird, kann ein kleiner Betrieb dabei nicht mehr mithalten. Wie lange der Biomilcherzeugerpreis noch so stabil bleiben kann, wenn in allen Supermärkten die Biomilch günstiger als die Markenmilch ist, frage ich mich sowieso…

        1. Was ich aber am Schluss nur kurz beschrieben habe und was mir wichtig ist: Ich will nicht aufgeben und ich finde mich auch nicht damit ab, dass Kollegen von mir aufgeben. Es gibt vielfältige Möglichkeiten in irgendeiner Form und im Weitesten Sinne Landwirt zu sein bzw. seine Hofstelle und seine Fläche weiterhin zu nutzen. Es kann nicht jeder weiterhin Milchvieh oder Schweine im Vollerwerb halten. Entweder sucht man sich gleich was anderes, geht in Richtung bio, Sonderkulturen usw. oder in die Direktvermarktung oder baut sich mit Berufskollegen eine Marke auf. Ich glaube mit viel Unternehmungsgeist und innovativer Ideen kann man durchaus etwas erreichen und dem Hof wieder eine Zukunft geben. Wenn man aber kein Unternehmertyp ist, wird es in Zukunft schwierig werden.

        2. Ich stelle jetzt mal Fragen, beantworte aber auch gerne Ihre.
          Wir benötigen Schutz,aber glauben Sie, der Berufsverband will und kann das leisten. Habe ich Sie richtig verstanden ,daß es Ihnen nichts ausmacht, wenn andere den Markt sprengen, weil die Abgedrängten sich ja etwas neues suchen können?
          Sind Sie mit mir einer Meinung ,daß jeder der die Produktion erhöht, heute andere letztendlich verdrängen muß?
          Und zu Bio muß man konstatieren, Biobauern denken in der Regel wohl auch nur an sich und Verbände setzen gerne auf Marken- und Mengenführerschaft. Was für ein Unsinn!

  2. Der Verband kann diesen Schutz nicht mehr leisten, weil 1. die Bauern zu unterschiedlich sind und keine Gemeinsamkeit bei der Entscheidungsfindung mehr herrscht und zweitens die Zeiten vorbei sind, wo solche Schutzmaßnahmen politisch umsetzbar wären.
    Mir passt es natürlich nicht, dass Betriebszweige unwirtschaftlich werden, weil manche ohne Sinn und Verstand dort extrem einsteigen. Ein Bioanbauverband könnte es verhindern, tut es aber aus mir nicht bekannten Gründen nicht. Wenn Biolandmilch bei Lidl deutlich günstiger ist als Bärenmarke, dann passt da was nicht.
    Ich will mein eigener Herr sein und mich nicht auf Verbände und Politik verlassen. Das führt zu nichts. Ich plane bei mir immer gedanklich für die nächsten 30 Jahre und seeeehhhr vorsichtig für die nächste Generation. Mein Ziel ist derzeit zum Beispiel, in 15 Jahren entweder nochmal in die Zuchtsauenhaltung zu investieren oder etwas Neues zu machen. Bis dahin investiere ich nur noch kleine überschaubare Summen. In 15 Jahren können dann meine Kinder schon mitentscheiden und dann entsteht entweder eine Projekt für die nächste Generation oder vielleicht auch gar nichts mehr. Schauma mal.

  3. Ich denke die Zeit war noch nie so gut, um jetzt Schutzmaßnahmen durchzusetzen. Das geht aber nur mit Bauern, die auch politisch handeln und klar Position beziehen, auch wenn es den dörflichen Frieden stören könnte. Die Statistiken sprechen doch eine eindeutige Sprache.
    Die Kultur des Wegschauens z.B bei Nitrat hat Probleme geschaffen ,die besonders die trifft ,die ursächlich nicht diese provoziert haben.
    Und die allermeisten können nicht mehr seeeeehr vorsichtig investieren ,weil sie sich haben verführen lassen von einem Verband ,der Betriebe unserer Größenordnung schon lange abgeschrieben hat oder sie allenfalls zur Schauzwecken auf der Bühne vorführt.
    Alle Funktionäre und Politiker suhlen sich gerne in Sozialkompetenz und Fürsorge, indem sie sich öffentlichkeitswirksam als Beschützer der” Kleinen Betriebe” präsentieren.
    Bauern waren einst beseelt von einen Denken und Handeln ,das über Generationen ging,heute ist man froh, wenn man wieder ein paar Jahre in eine unsichere Zukunft schaffen kann.
    Das ist fatal und zeugt von Obrigkeitshörigkeit und Mutlosigkeit.

    1. Ich hab ja wenig Ahnung von den anderen Landesverbänden des Bauernverbandes. In Bayern gab es nie eine Empfehlung, größer zu werden. Unser Präsident selber ist ungefähr im bayerischen Durchschnitt von der Betriebsgröße. Dass Politiker – egal welcher Partei – einerseits kleine Betriebe fordern und andererseits mit jedem neuen Gesetz und jeder neuen Verordnung dafür sorgen, dass es kleine Betriebe schwerer haben, ist auch klar. Schutzmaßnahmen werden die kleinen Betriebe mMn nicht retten. Ein wichtiger Baustein sind finde ich die Sozialversicherungen, wo die Kleinen deutliche Vorteile haben. Dies gehört noch weiter ausgebaut, wenn es der Politik ernst damit ist. Die Förderung der ersten Hektare sowieso und vielleicht auch die Förderung kleiner Schläge. Natürlich brauchen wir auch wieder höhere Erzeugerpreise, aber hier haben kleine Betriebe keinen herausgehobenen Nutzen.
      Kleinere Betriebe müssen noch viel mehr wie bis jetzt zusammenarbeiten, wenn es um Maschinengemeinschaften usw. geht. Darum brauchen wir weiterhin unsere Maschinenringe, Erzeugergemeinschaften und Bauernverbände. Ohne diese Selbsthilfeorganisationen gäbe es meinen Hof sicherlich nicht mehr und der Strukturwandel hätte bereits in den 80ern stattgefunden. Dafür kann man auch mal ein paar hundert Euro im Jahr investieren, auch wenn man nicht immer mit allem zu 100 % zufrieden ist.

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