Shitstorm gegen Werder Bremen

Fotomontage von Bild.de mit Gebre Selassie, Werder Bremen
Fotomontage von Bild.de mit Gebre Selassie, Werder Bremen

Die gestrige BILD-Schlagzeile “Hühner-Brust – Geflügel-Hersteller Wiesenhof neuer Werder-Trikotsponsor” löste eine große Empörungswelle (neudeutsch auch Shitstorm genannt) im Internet aus.

Die Online-Enzyklopädie Wikipedia definiert einen Shitstorm wie folgt:

Shitstorm [ˈʃɪtstɔːm], (englischshitstorm „Empörungswelle“) bezeichnet in der deutschen Sprache ein Internet-Phänomen, bei dem massenhafte öffentliche Entrüstung sachliche Kritik mit zahlreichen unsachlichen Beiträgen vermischt. Der Duden definiert einen Shitstorm als „Sturm der Entrüstung in einem Kommunikationsmedium des Internets, der zum Teil mit beleidigenden Äußerungen einhergeht“.[1] Ein typischer Shitstorm umfasst unter anderem „Blogbeiträge oder -kommentare, Twitternachrichten oder Facebook-Meldungen“.[2] Dabei richtet sich „eine subjektiv große Anzahl von kritischen Äußerungen […], von denen sich zumindest ein Teil vom ursprünglichen Thema ablöst und [die] stattdessen aggressiv, beleidigend, bedrohend oder anders attackierend geführt [werden]“[3], gegen Unternehmen, Institutionen, Einzelpersonen oder in der Öffentlichkeit aktive Personengruppen, etwa Parteien oder Verbände. Der Begriff wurde zum Anglizismus des Jahres 2011 gewählt.[4]

Wiesenhof ist bei vielen Fußballfans offensichtlich sehr umstritten. Negative Berichterstattungen wie die ARD-Reportage “Das System Wiesenhof” (mein Bericht über die einseitige Reportage gibt es hier: Link) und zahlreiche Artikel in Printmedien führten offensichtlich zu einem schlechten Image der Firma Wiesenhof bei vielen Fans, die sich nun um das bisher so gute Image des Clubs Werder Bremen machen.

Werder_Umfrage
Umfrage im Werder-Forum (c) forum.werder.de

Kurz nach der Veröffentlichung der BILD-Meldung kam es in vielen Foren, z.B. im offiziellen Werder-Forum, im Fanforum Worum.org und auf der Platform von transfermarkt.de zu unzähligen Einträgen, die jegliche Sachlichkeit vermissen lassen. Zur Untermauerung der negativen Thesen wurden u.a. immer wieder Videos der Tierschutzorganisation PETA angeführt. Dort sind Kommentare wie

“ihr wixer ihr schweine. mit tieren schwachen das machen quälen. ihr wixer genau das was ihr mit den tieren macht sollte man mit euch machen eure arme beine brechen euch würgen einsperren. ihr bastarde ihr hurensöhne!!”

oder

“Alles was bei Wiesenhof Verantwortung trägt, gehört ohne Anhörug erschossen. Umgehend !!!”

zu lesen. Anscheinend beteiligen sich gerade die Fanatiker sehr aktiv an diesem Shitstorm. Auch auffällig, dass plötzlich die Mehrheit entweder kein Fleisch ist oder nur beim Biobauern direkt einkauft. Die Diskrepanz zwischen Reden und Handeln ist ja nicht erst seit gestern bei deutschen Verbrauchern sehr groß- das ist bei Fußballfans nicht anders. Der Marktanteil von Bioprodukten in Deutschland beträgt ca. 5 Prozent.

Jetzt- einen Tag später – tauchen vermehrt auch sachliche und abwiegende Beiträge auf. Zumindest gestern wurden andere Meinungen quasi übergebügelt, eine wirkliche Diskussion war unmöglich.

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Neben dem Aufschrei in den Foren wurde auch eine Facebook-Gruppe gegen Wiesenhof als Sponsor bei Werder Bremen gegründet. Über 7000 Facebook-Nutzer haben sich dieser Initiative mit dem Untertitel “100% Werder – 0% Tierquäler” per “Gefällt mir”-Klick in kürzester Zeit angeschlossen.

Auch die kritischen Vereine und Initiativen nutzen den Schwung dieser Empörungswelle und bringen ihre Positionen noch einmal in Stellung und drängen den Bundesligisten, vom Trikotsponsor Wiesenhof Abstand zu nehmen:

PETA:Sollte Werder Bremen den Deal bestätigen, werden die Tierfreunde unter den Fans dem Verein die rote Karte zeigen“, so Dr. Edmund Haferbeck, Agrarwissenschaftler und juristischer Berater bei PETA.

Bürgerinitiativen gegen Massentierhaltung:Netzwerk-Sprecher Michael Hettwer verwies auf die Qualzucht und die schlimmen Verhältnisse in der agrarindustriellen Hähnchenmast, bei der 20 Tiere auf einem Quadratmeter zusammengedrängt würden und bei der Haltung auf dem eigenem Kot schmerzhafte Verletzungen davontrügen. Im Einzugsgebiet von Werder Bremen engagierten sich auch viele Werder-Fans gegen die Belastung durch bedrohliche Keime und Emissionen aus Agrarfabriken – diese würden einen solchen Schritt ihres Vereins absolut nicht gutheißen und sogar Proteste in der laufenden Saison nicht ausschließen.

Bauernhöfe statt Agrarfabriken:Die im niedersächsischen „Landesnetzwerk Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ zusammengeschlossenen Bürgerinitiativen haben die Verantwortlichen von Werder Bremen dringlich aufgefordert, von der geplanten Trikot-Werbung für den „Wiesenhof“-Geflügelkonzern Abstand zu nehmen.

Ich finde die Reaktionen völlig überzogen. Hier wird skandalisiert und beschimpft. Es wird deutlich, dass ein Dialog zwischen den extremen Positionen kaum möglich ist. Der König Fußball und die Fanliebe sorgen bei diesem Thema noch zusätzlich für Emotionen, die von den Tierschutzorganisationen und Bürgerinitiativen bewusst geschürt werden.

Jeder Verbraucher hat die Möglichkeit, auf Bio-Produkte auszuweichen bzw. kein oder weniger Fleisch zu verzehren. Gibt es für die Bruzzler und Hähnchen in Deutschland keinen Markt mehr, so wird auch automatisch die Produktion hierzulande deutlich sinken. Umgekehrt aber, wenn kein Hähnchen mehr in Deutschland erzeugt wird, werden die günstigen Fleischprodukte aus dem europäischem Ausland und Übersee importiert- beim  Tierschutz wäre man eher einen Schritt rückwärts gegangen.

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