Agrarblogger- gekauft und ferngelenkt?

Die Gruppe der „Agrarblogger“ steht neuerdings immer wieder im Fokus medialer Aufmerksamkeit.

Zuletzt war es ein Artikel im Spiegel, der sich mit der Motivation „der“ Agrarblogger auseinandersetzte und schlussendlich eine Käuflichkeit bzw. Ferngelenktheit dieser Gruppe konstatierte.

Ausschnitt zum Spiegelartikel: Landwirtschaftsinfluencer im Dienste der Agrarindustrie Landwirtschaftsinfluencer im Dienste der Agrarindustrie »Warum ich diese Mail schreibe, dürfte klar geworden sein: Geld!« Sie werben für »geile« Pestizidspritzmaschinen oder trommeln gegen das Insektenschutzgesetz: Blogger wie »Bauer Willi« machen ungeniert Lobbyarbeit – aber nicht unbedingt für die Bauern. Von Nils Klawitter
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Warum sind die Agrarblogger heute so relevant, dass sie immer wieder kritisch von Journalisten beäugt werden?

Seit ziemlich genau 10 Jahren schreibe und äußere ich mich zu landwirtschaftlichen und agrarpolitischen Themen im Internet und in den sozialen Netzwerken.

Ich habe mich damals dazu entschlossen, weil ich in den Online-Debatten die Perspektive der normalen Bauern vermisst habe und nun selber aktiv werden wollte. Während damals die Agrarblogger rar gesät und wenig vernetzt waren, sieht es heute ganz anders aus. Immer mehr Bäuerinnen und Bauern erzählen viele kleine Geschichten von ihren Höfen und erzielen dabei beachtliche Reichweiten. Viele scheuen sich dabei nicht, sich auch agrarpolitisch zu positionieren und Kritik an Politikern, Bauernverband oder auch NGOs zu äußern.

Vielfalt der Agrarblogger stört heile NGO-Kampagnenwelt

Dabei gibt es nicht eine abgestimmte Meinung bzw. Position der Agrarbloggerschaft. Und auch die Agrarblogger selbst lassen sich nicht über einen Kamm scheren. Innerhalb dieser Gruppierung gibt es eine große Meinungsvielfalt und Pluralität. In einem Punkt gibt es allerdings schon eine große Einigkeit: viele wollen ein realistisches Bild von der heutigen Landwirtschaft zeigen und mit vielen Vorurteilen aufräumen. Sie sind dabei sehr authentisch und blasen dabei selten ins Agrarwende-Horn. Sie gehen damit oft direkt in Opposition zu vielen Organisationen, die der modernen Landwirtschaft kritisch gegenüberstehen. Diese Gegenpositionen aus Reihen der Landwirte stört die heile NGO-Kampagnen-Welt, denn stets beteuern Greenpeace, NABU, Tierschutzbund, die Grünen und Co. mit ihrer Politik und mit ihren Forderungen an der Seite der Bäuerinnen und Bauern zu stehen.

Dem Bauernverband fällt es recht schwer, an einzelnen NGO-Kampagnen wirksam Kritik anzubringen. Der DBV ist wegen seiner großen Vernetzung und Macht in der öffentlichen Debatte diskreditiert. Hier wurde in den vergangenen Jahren ein negatives Feindbild im Zusammenspiel zwischen NGOs & Medienwelt aufgebaut, aus dem sich der Verband schwerlich befreien kann.

Nun stören also die vielen Blogger. Wie nützlich wäre es doch, wenn man dieser Gruppe eine Nähe zur Industrie und Käuflichkeit andichten könnte? Offensichtlich sehr nützlich, denn den Insidern der Agrarbloggerszene ist klar, dass der Spiegel in seiner aktuellen Recherche lange suchen und die Erkenntnisse ordentlich konstruieren musste, um das gewünschte negative Bild zu erzeugen.

Im Spiegel wird eine Bloggerin zitiert, dass die „Vielfalt der Agrarblogger täusche, in Wirklichkeit seien die meisten Leibeigene der Industrie“. Diese Bloggerin bleibt leider anonym und deren Aussage wird weiter nicht belegt, steht aber trotzdem in der Zeitschrift niedergeschrieben.

Lobby und Bauernverband, sagt eine Bloggerin, die seit Jahren aktiv ist, hätten »Angst vor Kontrollverlust«. Sobald jemand im Netz erfolgreich sei, »schlägt das System zu«. Das laufe oft ganz subtil: »Man zahlt hier eine Übernachtung, da ein kleines Honorar – um Linientreue muss man sich dann nicht mehr sorgen.« Die Vielfalt der Blogger täusche. »Die meisten sind Leibeigene der Industrie.«

Nur: Welche Agrarblogger sind denn hier gemeint, die mit den Werbeverträgen für ihr Product-Placement in ihren Insta-Stories oder alle Agrarier, der sich in Sozialen Medien gegen die Meinungshoheit der NGOs äußert? Letztere sollten hier wohl auch unglaubwürdig gemacht werden.

Aber ist vielleicht doch etwas an den Vorwürfen im Spiegel dran?

Da kann ich natürlich nicht für alle sprechen, weil ich sicherlich nicht alle kenne. 
Aber ich kann für mich sprechen. Ich, der seit über 10 Jahren blogge und zwischenzeitlich mit sehr vielen Agrarbloggern vernetzt bin und mehrere sogenannte Agrarbloggercamps mitorganisiert habe.

Agrarblogger sind meistens Unternehmer

Und hier kann ich sagen, dass wir in der Regel selbstständige Unternehmer sind und nebenher uns in der Öffentlichkeitsarbeit engagieren. Das kostet natürlich Zeit und wenn der eigene Hof nicht eine Selbstvermarktungsschiene hat, dann bringt diese investierte Zeit für den eigenen Betrieb zunächst nur wenig. Die allermeisten machen das alles aus Leidenschaft für den Beruf und für den Berufsstand! (Und es ist wichtig, dass die Zahl derer, die sich analog oder digital in der Öffentlichkeitsarbeit engagieren, größer wird)

Die Arbeit der Agrarblogger, aber auch die Blogger selbst erzeugen Interesse bei lokalen und auch überregionalen Medien, bei Politikern und auch bei Firmen, die zunehmend um Agrarblogger als Werbeträger werben. Auch zu Vortrags- und Fortbildungsveranstaltungen werden Agrarblogger als Redner bzw. Referenten angefragt, Social Media ist ein wichtiges Thema.
Dabei fließt natürlich Geld. Bei Vorträgen als Aufwandsentschädigung, bei der Werbung für Firmen als Provision. Die Summen sind dann schließlich Verhandlungssache.

Wenn ich für einen Vortrag gebucht werde, dann muss die Vergütung mindestens so hoch sein, dass zu Hause auf meinem Hof die Arbeit von einer Ersatzkraft adäquat erledigt werden kann. Bei kleineren gemeinnützigen Organisationen mit kleinem Budget verzichte ich auch schon mal auf eine Vergütung, wenn ich es zeitlich organisiert bekomme.

Transparenz und klare Kennzeichnung ist wichtig

Ich finde, der Umstand, dass Agrarblogger für diese Aktivitäten finanziell entschädigt werden, ist überhaupt nicht anrüchig. Und auch kein Indiz dafür, nun gekauft oder ferngelenkt zu sein. Meine Meinung kann man deshalb noch lange nicht kaufen oder ändern, aber für meine Zeit verlange ich eine Gebühr.

Wichtig ist, dass alles offen und transparent abläuft und Werbung auch als solche gekennzeichnet wird. Und wenn dieses gegeben ist, verlieren Agrarblogger nicht ihre Authentizität und gewinnen sogar vielleicht ein bisschen mehr Unabhängigkeit, wenn ein paar kleine Einnahmen dafür sorgen, dass Betrieb, Familie und Öffentlichkeitsarbeit besser unter einem Hut gebracht werden können.


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