Tierwohl, Tierwohl, Tierwohl

Kennt sich eigentlich irgendjemand noch aus?

Die letzten Wochen habe ich sehr umfänglich auf Facebook usw. mit LandwirtInnen diskutiert, die gegen die Vorschläge der Borchert-Kommission (eigentlich Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung) sind und sich gegen eine Tierwohlabgabe aussprechen. Aus sehr eigennützigen Gründen schreibe ich darum hier wieder mal in diesem Blog ausführlich, um in Zukunft nur den Link in die Kommentare posten zu müssen. So spart man sich viel Zeit, die ich dann wieder zum Blogschreiben verwenden kann!

Ein Bündnis aus mehreren LsV-Landesverbänden und diversen anderen landwirtschaftlichen Gruppen spricht sich in einer Stellungnahme gegen die Tierwohlabgabe aus. Nachlesen könnt ihr das HIER.

Warum ist das zur Zeit Thema? Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat dazu eine Machbarkeitsstudie (Vorsicht, 286 Seiten!) in Auftrag gegeben. Agrarheute- Chefredakteur Simon Michel-Berger hat hierzu einen sehr guten Kommentar geschrieben: LINK

Der Onkel erzählt vom Krieg…

Wie fing das alles eigentlich an? 2013/14 war die Initiative Tierwohl erstmals Thema bei uns im Bauernverband. Die LfL Bayern hat damals schon ziemlich genau errechnet, wie viel das alles kosten würde und hat festgelegt, wie verschiedene Kriterien vergütet werden.

Konditionen für die Periode 2018 – 2020

In der 1. Periode gab es noch viel mehr Auswahlmöglichkeiten und weniger verpflichtende Kriterien. Dies wurde dann in der 2. Periode verschärft. Aber es gab immer noch Möglichkeiten, individuelle Lösungen in den Betrieben zu honorieren. Ich war 2014 gegen diese Initiative. Ich war skeptisch, ob der LEH hier ein ehrlicher Partner ist und ob genügend Geld zur Verfügung steht.

Geld war auch immer knapp. Es gab immer mehr Höfe, die gerne daran teilgenommen hätten, als Geld zur Verfügung war. Doch man hat allen Problemen zum Trotz hier sehr viel erreicht. Mehr, wie jedes Gesetz und jede Verordnung. Darum wurde ich zum großen Befürworter von ITW, denn der große Charme an ITW war: Schweinehaltende Betriebe haben Geld bekommen und haben aber trotzdem die Schweine wie bisher ohne ein spezielles Label verkauft. Im Laden konnte man nicht unterscheiden, ob das Schwein an ITW “teilgenommen” hat oder nicht. Das hat die Logistik und die Bürokratie enorm vereinfacht.

Haltungsstufen 1 – 4 oder 1 – 3

Doch dann kam der LEH und das BMEL mit den Haltungsstufen. Nun wollte man aus Marketinggründen wissen, wo das Schnitzel denn her ist. Und ob es zu Lebzeiten 10 % mehr Platz und große Fenster im Stall hatte. Beim Geflügel war diese “Nämlichkeit” schon länger üblich. In der Schweinemast ist sie nun seit diesem Jahr vorgesehen. Für die Ferkelerzeugung gibt es eine Übergangszeit. Somit ist ITW ein Label wie jedes andere geworden. Bei der Milch bzw. beim Rindfleisch ist sowas auch geplant. Man will somit die die LEH-Haltungsstufe 2 etablieren, was heißt, dass die Stufe 1 über kurz oder lang aus den Regalen rausfallen wird. Und darum bin ich gegen eine Nämlichkeit!

ITW-Nämlichkeit ist das neue QS

Warum halte ich es noch für falsch? Weil spätestens, wenn auch bei der Ferkelerzeugung die Nämlichkeit gegeben sein muss, es noch komplizierter wird und aufwändiger, vor allem die Ferkel von kleineren Ferkelerzeugern in den richtigen Maststall zu verbringen. Und zweitens droht uns damit das “QS-Problem”. Dass nämlich, wenn diese 5,18 Euro je Mastschwein – was btw sich gerade mal so für den Mäster rechnet – ähnlich wie bei QS erstmal draufgeschlagen wird und über die Jahre gefühlt ein Abschlag für die wird, die nicht dabei sind.

Und darum hab ich jetzt lange ausgeholt. Denn dieser Fehler darf bei der Tierwohlabgabe nicht passieren. Geld für bessere Haltung muss unabhängig von der Schlachtabrechnung oder Milchgeldabrechnung ausbezahlt werden. Die Chancen dafür stehen gut und alle, die hier den Teufel an die Wand malen, haben das System vielleicht nicht verstanden. Es wäre auch ein seltsames Verständnis von Tierwohl, wenn man dies je abgeliefertem Liter Milch honorieren würde, oder? Viel logischer ist eine Auszahlung je Kuhplatz. Und dann sollte hier auch jede Variation möglich sein, sodass je nach Stall und “Kuhkomfort” schnell mal einige Tausend Euro Unterschied sein können. Und dies ist dann auch nicht von den Molkereien in mehr oder weniger Milchgeld umzurechnen.

Ja, ich bin für Bochert!

Warum? Weil ich Ferkelerzeuger bin. Ich darf in den nächsten 15 Jahren fast alle Stallungen umbauen. Die Kastenstände müssen aus dem Deckzentrum raus und die Abferkelbuchten müssen vergrößert werden, damit statt einem dauerhaften Ferkelschutzkorb eine Bewegungsbucht wird. Wir kupieren derzeit die Schwänze. Wie lange noch, wissen wir nicht. Aber in 15 Jahren wird auch das passé sein und darum sind auch der Ferkelaufzuchtstall und natürlich auch alle Mastställe ein Fall für die Abrissbirne.

Eine reine Investitionsförderung von derzeit 40 % reicht hier aber nicht aus. Wir müssen unsere Ställe, die vielleicht erst vor ein paar Jahren gebaut worden sind, wieder rausreißen, obwohl sie wirtschaftlich noch nicht abgeschrieben sind. Außerdem bedeuten diese Investitionen erstmals keine Arbeitserleichterung, sondern ein Mehr an Arbeit. Einstreu, Geburtsüberwachung, höhere Heizkosten, mehr verkotete Flächen, die zu säubern sind. Diese Arbeit muss bezahlt werden!

Wir wollen einen gerechten Preis!

Diesen Satz höre ich ständig. Zurecht! Aber wir fordern doch seit Menschengedenken einen gerechten Preis! Ich habe auch nicht das Gefühl, dass Biobauern einen gerechten Preis für ihre Erzeugnisse kriegen, denn in dieser Sparte hat auch noch niemand wegen Reichtum geschlossen. Darum ist mein Fazit: Der Markt gibt den höheren Preis nicht her. Wir haben einen EU-Binnenmarkt, wo jeder alles zu jedem Preis nach Deutschland liefern darf. Außerdem haben wir über die WTO einen Marktzugang für Drittstaaten. Diese Erzeugnisse machen zwar nur einen geringen Anteil aus, tragen aber auch dazu bei, dass sich unsere Erzeugerpreise am Weltmarkt orientieren. Und der Verbraucher zahlt es einfach nicht. Der Verbrauch von Bioprodukten steigt zwar. aber erstens auf Kosten der Biobauern. Und zweitens würde ja dieser Anstieg durch immer höheres Tierwohl in der konventionellen Landwirtschaft ausgehebelt. LsV sieht hier die UTP-Richtlinie als Hebel. Näheres dazu findet ihr hier.

Ich sehe für die Forderungen von LsV keine realistische Perspektive, darum: Wenn es der Markt nicht macht, brauchen wir in einer sozialen Marktwirtschaft Hilfe vom Staat. Wir kriegen Ausgleichszahlungen je Hektar, weil wir in der EU höhere Umweltauflagen und Tierhaltungsvorgaben im Gegensatz zu Drittländern haben. Wir erhalten z. B. Geld aus dem Bayerischen Kulturlandschaftsprogramm, weil wir dort bestimmte Maßnahmen für mehr Artenschutz oder Umweltschutz durchführen. Wir kriegen eine Investitionsförderung, weil wir einen besonders tiergerechten Stall bauen. Und darum sehe ich nichts Verwerfliches daran, wenn wir eine langfristige Tierwohlprämie für mehr Tierwohl in unseren Ställen bekommen.

Nicht um jeden Preis!

Ich brauch es gar nicht allzu lange ausführen, meine Meinung dazu ist mit der des Bayerischen Bauernverbandes deckungsgleich. Lest darum erst mal diesen Artikel. Nur nochmal die zentralen Punkte. Da ein Stall erst nach 20-25 Jahren abgeschrieben ist, brauchen wir auch für diesen Zeitraum die regelmäßigen Zahlungen aus der Tierwohlabgabe. Wenn Außenklimareize bei allen Tierarten gefordert werden, muss dies auch gesetzlich möglich sein – TA Luft! Und hier nur eine kurze Anmerkung. Wenn man sich als Landwirt mit den Ausführungen der Borchert-Arbeitsgruppen beschäftigt und dann gleich beim Landratsamt anruft und fragt, ob man nun auf die TA Luft keine Rücksicht mehr nehmen muss und diese dann das verneinen, ist das halt aufgrund dessen, weil die gesetzliche Grundlage hier erst angepasst werden müsste. Dies dazu zu nutzen, die Vorschläge der Borchert-Kommission schlecht zu machen, halte ich für fragwürdig.

Und natürlich sind noch viele fachliche Fehler in den Vorschlägen mit drinnen. Ob es jetzt die Laufgangbreite in Laufställen ist oder die 5-wöchige-Säugezeit bei Zuchtsauen. Hier muss überall noch nachgearbeitet werden und ganz wichtig: Erst wenn die Finanzierung steht, kann ablehnen oder zustimmen.

Nur dagegen sein, gilt nicht!

Was ich aber für grundfalsch halte ist, gleich vorweg dieses Modell abzulehnen, so wie es ein Bündnis aus Freien Bauern, BDM und einigen LsV-Landesverbänden getan hat. Will hier jemand den Dinosaurier des Jahres vom Nabu gewinnen? Denn wenn wir unserem Berufsnachwuchs die Möglichkeit geben wollen, die Höfe in den nächsten 50 Jahren weiterzuführen, brauchen wir in erster Linie Verlässlichkeit. Dies bieten die Vorschläge der Borchert-Kommission. Man weiß, was die nächsten 20 Jahre auf uns zukommt. Die, die die Herausforderungen annehmen, bleiben im Boot. Die, die darauf keine Lust haben, machen keine Fehlinvestitionen mehr, wenn alle paar Jahre wieder Gesetze verschärft werden, so wie es bisher war. Darum ist auch eine klare Förderung, dass in diesem Zeitraum keine Gesetze mehr verschärft werden. Auch aus dem Grunde, da für gesetzlich geregelte Tierhaltungsvorschriften keine Förderung ausbezahlt werden kann.

Abgabe, Soli oder Mehrwertsteuer?

Ob es nun eine Abgabe je kg Fleisch und Milch wird, was ich favorisieren würde, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, was die Machbarkeitsstudie favorisiert, oder ein Tierwohl-Soli auf die Einkommenssteuer drauf, steht heute noch nicht fest. Und daran würde ich auch eine Zu- oder Absage nicht festmachen. Ich träume aber trotzdem noch immer von einer halbstaatlichen Gesellschaft, die mindestens für 20 Jahre die Gelder einer Tierwohlabgabe, die auch auf ausländische, tierische Produkte erhoben wird, verteilt. Dass wir mit diesem Modell Probleme mit der EU bekommen werden, ist mir klar. Aber vielleicht gibt es ja irgendwo noch findige JuristInnen, die eine Lösung parat haben.

So, nun habe ich fast zwei Wochen an dem Blogbeitrag gefeilt und habe immer noch das Gefühl, die Hälfte vergessen zu haben. Wenn ihr also Informationslücken bemerkt, dann gebt mir bescheid! Ich gebe gerne noch einen Nachschlag. Als Abschluss könnt ihr euch noch meinen Kommentar in der DBK Bauernkorrespondenz durchlesen, der in verkürzter Form die Inhalte dieses Blogs wiedergibt. Der DBV gibt diese Zeitschrift einmal monatlich heraus. Abonnieren kann man sie hier.

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  1. Immer wieder ist zu lesen, dass die großen Verbände den Umbau der Tierhaltung im Sinne der Borchert-Pläne unterstützen. Die ISD hat mit Herrn Landwirtschaftsminister a.D. Jochen Borchert gesprochen. Auf die Frage ob die Deutsche Tierhaltung dem Tierschutzgesetz entspricht, hat er uns Folgendes geantwortet:
    „Wenn z. B. im sogenannten „Magdeburger Urteil“ festgestellt wurde,
    das Sauen, im Sinne des Tierschutzgesetzes anders gehalten werden müssen,
    dann bedeutet das nicht, das die Tierhalter Ihre Tiere falsch halten,
    sondern, dass das Tierschutzgesetz durch die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung,
    und die dazu gehörigen Ausführungshinweise nicht richtig umgesetzt wurde!“
    Nachzuhören in einer Diskussion mit den agrarpolitischen Sprechern der Parteien:
    https://initiative-schwein.de/schweinehaltung-hat-zukunft-auch-in-deutschland
    Dr. Hermann-Josef Nienhoff wird Leiter der neuen Koordinationszentrale für Handel und Landwirtschaft, die der DBV, der DRV und der HDE Anfang März eingerichtet haben. In einem Interview mit topagrar hat er am 03.03.21 u.a. folgende Aussagen gemacht:
    Die Neuausrichtung der Tierhaltung braucht mehr Engagement und Vorschläge aus der Landwirtschaft. Die Deutschen Verbraucher sind beim Thema Lebensmittelsicherheit sehr sensibel. Das QS-Qualitätssicherungssystem hat Lebensmittelkrisen immer wieder im Keim erstickt. Der Handel will am Ende des Tages vor allem deutsche Waren im Regal haben. Alle wissen, dass unsere Bürger für mehr Tierwohl sind, und als Verbraucher möglichst günstig kaufen wollen. Kein Lebensmittelhändler kann es sich erlauben von NGO´s angegriffen zu werden. Die politischen Deals sind zu Lasten der Deutschen Bauern gegangen. Niemand im Markt benötigt ein staatliches Tierwohllabel, auch ist der Verwaltungs- und Kontrollaufwand zu hoch. Europäische Lösungen sollten bevorzugt werden. Deshalb praktikable und zukunftsorientierte Lösungen aus der Wertschöpfungskette heraus entwickeln. Es muss proaktiv gehandelt werden.
    Die ISD steht für mehr Engagement und Vorschläge aus der Landwirtschaft!
    Wir wollen das vor allem deutsche Waren in den Regalen liegen, die vom Verbraucher gekauft werden. Deshalb handeln wir proaktiv, wie u.a. unsere Positionspapiere zeigen!

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