mit Werner Schwarz, Präsident des schleswig-holsteinischen Bauernverbandes und Vizepräsident des DBV
In einigen Wochen findet die Bundestagwahl statt und derzeit begegnet einem überall in Deutschland der Wahlkampf. Dazu gehören auch immer die üblichen Sommerinterviews, die dieses Jahr natürlich auch von den Wahlen geprägt sind. Ich will hier in einer kleinen Serie Personen aus dem landwirtschaftlichen Bereich interviewen und sie zu Agrarpolitik, Landwirtschaft im Allgemeinen und was mir sonst noch so in den Sinn kommt, befragen.
Den Anfang macht Werner Schwarz, geboren am 10. April 1960 in Bad Oldesloe, Schleswig-Holstein, verheiratet und drei Kinder. Er ist Schweinehalter, seit 2008 Präsident beim Bauernverband Schleswig-Holstein und seit 2012 Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes.
Guten Tag Herr Schwarz,
danke, dass sie sich für dieses Interview Zeit nehmen. Wie ist derzeit die Lage auf Betrieb und Ehrenamt? Viel los, oder geht es schon in Richtung Sommerurlaub?
Das ist das Schöne an dem Engagement im Bauernverband, im Sommer wird es auf Grund der Ferien mit den Verbandsterminen ruhiger und die Arbeit auf dem Betrieb nimmt zu. Also das passt gut zusammen, aber richtigen Sommerurlaub haben meine Familie und ich noch nie gemacht. Im Ehrenamt war das letzte halbe Jahr sehr fordernd. Auf Grund der Pandemie gab es nur ganz wenige Präsenztermine, aber umso mehr digitale Veranstaltungen, Besprechungen, Meinungsbildungen und Arbeitssitzungen. Wenn digitale Jahreshauptversammlungen an einem Tag zweimal 3 Stunden geleitet werden müssen, ist es extrem anstrengend. In Zukunft mache ich das auch gerne wieder in Präsenz.
Sie sind ja Sauenhalter wie ich. Bei mir hat sich in letzter Zeit der Gedanke verfestigt, dass ich auch was anderes machen kann, als Sauenhaltung. Nun hab ich aber vor ein paar Wochen wieder festgestellt, wie sehr ich an meinen Sauen hänge und wie gerne ich mich zum Beispiel mit der Jungsauennachzucht beschäftige. Wie ist das bei Ihnen? Waren Sie schon immer Sauenliebhaber und hält das bis heute an und was gefällt Ihnen an Schweinen besonders?
Für mich war der Einstieg in die Sauenhaltung 1994 eine Eröffnung eines neuen Betriebszweigs, von dem ich nach wie vor überzeugt bin einen richtigen Schritt getan zu haben. Wir haben seit der Zeit viele Aufs und Abs erlebt und das Wechselbad der Gefühle war ja in den letzten zwei Jahren besonders groß. Erst die Nachfrage aus Asien, dann die ASP mit dem Einbruch worauf eine relative schnelle Erholung erfolgte und jetzt der gegenläufige Trend zum allgemeinen Marktgeschehen. Futterkosten und alle Betriebsmittel gehen im Preis rauf und die Erlöse in der Schweinehaltung gehen rückwärts. Obwohl verschiedene auch betriebliche Tiefschläge zu verzeichnen waren, ist die Jungsauenvermehrung und Jungsauenaufzucht eine Passion, von der wir auf unserem Betrieb überzeugt sind und auch daran hängen. Trotzdem wird auch bei uns der Betriebszweig Schweinehaltung hinterfragt, aber das ist häufig die Grundlage etwas noch besser zu machen.
Ich komme ja aus dem tiefsten Oberbayern und mein Ehrenamt im Bauernverband hat mir gezeigt, dass oft schon im nächsten Landkreis Landwirtschaft völlig anders aussieht. Wie anders, frage ich mich, muss es dann erst im hohen Norden Deutschlands sein. Möchten Sie kurz erzählen, wie die landwirtschaftliche Struktur in ihrer Heimat ist und wie sie sich in den letzten 30 Jahren verändert hat, seit Sie Betriebsleiter sind?
Im Juli 1990 haben meine Frau und ich den Betrieb von meinen Eltern gepachtet, also kurz nach der Grenzöffnung zu den jungen Bundesländern. Von unserem Betrieb bis zur ehemaligen Grenze sind es in der Luftlinie 20km und zu der Zeit haben sich viele Kollegen mit dem Tieflader oder auch mit Sack und Pack in Richtung Osten aufgemacht. Für unsere Familie war es aber keine Option den Standort zu wechseln, deshalb auch die Eröffnung eines neuen Betriebszweigs.
Wir leben hier in der Metropolregion Hamburg-Lübeck mit sowohl großen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt als auch auf den Bodenmarkt. Aufgebende Landwirte hatten immer eine gute Alternative auf dem Arbeitsmarkt, daher war der Strukturwandel recht groß und viele Betriebe haben das Wirtschaften eingestellt. Bei uns gibt es erste Dörfer in denen keine aktiven landwirtschaftlichen Höfe mehr im Ort sind. Viele ehemals selbständige Betriebe sind heute verpachtet oder haben sich zu Kooperationen zusammengeschlossen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Wir haben hier gute klimatische Bedingungen und auch einen guten weizenfähigen Boden, sodass der Ackerbau dominiert. Aber es gibt heute immer noch eine beträchtliche Anzahl von Milchvieh- und Schweinehaltungen. Also keine reine Ackerbauregion.
Vor knapp 20 Jahren wurden Sie Vorsitzender Ihres Kreisbauernverbandes. Eine lange Zeit! Wie nehmen Sie es wahr? War früher alles besser?
Die Info in meinem WhatsApp Profil lautet: Früher war sogar die Zukunft besser…! Es war früher nicht besser. Anders ja, aber die Herausforderungen, Zukunftssorgen oder die Notwendigkeit zur Veränderung waren immer vorhanden. Ich glaube das begleitet den Unternehmer, die Unternehmerin ein ganzes Leben lang, egal ob in der Landwirtschaft oder jedem anderen Wirtschaftszweig. Um den Beginn der 2000er Jahre waren die digitalen Medien noch in den Kinderschuhen und trotzdem gab es Druck von Nichtregierungsorganisationen. Es war eine sehr harte Diskussion zwischen Bio und Konventionell, die fast unversöhnlich schien.
Da sind wir in jedem Fall als Bauern und Bäuerinnen heute in Bezug auf die beiden Produktionsrichtungen untereinander deutlich entspannter. Was in den 90er und 2000er Jahren deutlich besser war ist die Perspektive in Urproduktion zu investieren. Aber es gab zu der Zeit auch nicht die Möglichkeit z.B. in Photovoltaik zu investieren. Die Bauernverbände haben 2015/16 die Diskussion um das Thema „Veränderung gestalten“ begonnen, das ist für mich eine lohnende Perspektive. Nicht in Gram verharren sondern aktiv Dinge angehen.
Sie sind Vorsitzender der DBV-Fachausschusses für Öffentlichkeitsarbeit und der Bauernverband Schleswig-Holstein ist ja Vorreiter, wenn es um die Nutzung von Social-Media-Kanälen geht. Sind wir hier als Bauernverband auf dem richtigen Weg, wo müssen wir besser werden und sehen Sie auch Schattenseiten in der Nutzung von „Sozialen“ Medien?
Dass die neuen Medien nicht immer sozial sind hat jeder schon erlebt, der einmal einen „Shitstorm“ über sich ergehen lassen musste, deshalb bemühe ich mich von den digitalen Medien zu sprechen. Wo Licht ist, ist auch Schatten. Die Eigenverantwortlichkeit einer Aussage in den digitalen Medien ist sehr hoch, denn man ist nie gefeit, dass jemand die Aussage falsch verstanden hat oder falsch verstehen wollte. Es ist eben nicht wie in einer analogen Diskussion mit Argument und Gegenargument. Die Ansätze, die wir als Bauernverbände haben sind gut und richtig. Wir können uns positionieren ohne auf Dritte angewiesen zu sein, aber wir müssen uns klar darüber sein, wenn viele Likes kommen, sind sie häufig aus dem eigenen Umfeld. Das bedeutet wir müssen Reichweite außerhalb der Landwirtschaft erzielen und da können wir alle noch zulegen.
Zur Öffentlichkeitsarbeit gehört ja auch die Bewerbung unserer Erzeugnisse und die die Darstellung unserer Wirtschaftsweise in der breiten Öffentlichkeit. Früher gab es die CMA, die dies abgedeckt hat. Aktuell gibt es in einigen Bundesländern Vereine, die hier aktiv sind, wie zum Beispiel in Bayern „Unsere Bayerischen Bauern“. Eine deutschlandweite Organisation gibt es aber nicht. Ich bin außerdem der Meinung, dass der starke Rückgang in Sachen Schweinefleischverzehr auch damit zusammenhängt, dass nicht mehr dafür geworben wird. Wie sehen Sie das? Müssen wir als Bauern hier endlich wieder deutschlandweit aktiv werden?
Es wäre schön, wenn wir deutschlandweit und branchenübergreifend aktiv werden könnten, aber die CMA ist weg und kommt auch in der Form nicht wieder. Der DBV, der DRV und der MIV haben gerade die Branchenkommunikation Milch gestartet, was eine schwieriges Unterfangen war. Wenn es erfolgreich läuft, was ich sehr hoffe, kann das ein Vorbild für andere Produktionszweige sein. Es zeigt, wir müssen selbst aktiv werden. Es nimmt uns keiner diese Aufgabe ab und dafür müssen wir auch Geld in die Hand nehmen. Kampagnen wie „Echt grün – Eure Bauern“ oder „Unsere Bayerischen Bauern“ sind gute Wege um die Entfremdung zwischen den Erzeugern und Verbrauchern zu verringern, sind aber keine Werbeportale die z.B. Schweinefleisch bewerben.
Nun hab ich ja das Thema „Schwein“ schon angeschnitten. Sie haben durch Ihren Betrieb und in ihrer Funktion als Präsident des schleswig-holsteinischen Bauernverbandes täglich mit dieser Materie zu tun. Borchert-Kommission, Zukunftskommission Landwirtschaft, Haltungsstufe 3 und 4 bei Aldi – Wie sehen Sie die Zukunft der deutschen Schweinehaltung? Wo entwickeln wir uns hin? Wer wird am Schluss übrig bleiben? Wie sieht dieser Weg in den nächsten 10-20 Jahren aus und welche Chancen bieten sich und worauf müssen wir aufpassen?
Leider habe ich keine Glaskugel, um all diese Fragen zu beantworten zu können. Es sind Grundlagen in der Borchert Kommission und in der Zukunftskommission gelegt worden, an denen die landwirtschaftlichen Vertreter maßgeblich beteiligt waren, ihre Expertise eingebracht haben und ja, auch Kompromisse eingegangen sind. Nun liegt es jedenfalls bei diesen beiden Abschlussberichten an der Politik, den Inhalt in die Gestaltung mit einzubeziehen. Als Bauernverbände werden wir das sehr deutlich vor und nach den Wahlen machen und erwarten sehr zügig eine konkrete Umsetzung von Eckpunkten.
Die Ankündigungen von Aldi haben wir uns sehr genau angeschaut, haben Fragen formuliert und an das Unternehmen übermittelt, von denen wir mehr Klarheit erwarten, als die reine Ankündigung übermittelt hat. Ich habe es, als es im Interview um die Zeit vor 20 Jahren ging, schon einmal gesagt, dass wir als Gesamtheit der Landwirtschaft oder auch als einzelner Landwirt/Landwirtin uns immer an die Situation angepasst haben, uns verändert haben. Das wird meiner Ansicht auch darüber entscheiden, wer übrig bleibt. Das frühe Erkennen von Trends, das behutsame Umsetzen dieser Erkenntnis im eigenen Betrieb werden entscheidende Kriterien sein. Wir werden definitiv in den nächsten Jahren zunehmend von der Gesellschaft beobachtet und wir werden uns intensiv mit den Forderungen, die daraus entstehen, auseinandersetzen müssen. In den Kommissionen wurde deutlich aufgezeigt, dass Mehrleistung auch honoriert werden soll, darauf müssen wir aufpassen, damit wir auch in Zukunft in und von der Landwirtschaft leben können. Und wir müssen aufpassen, dass wir nicht nur schlecht über die Landwirtschaft reden und damit der nachfolgenden Generation die Freude an einem Beruf Landwirtschaft von Vornherein nehmen.
Was ist Ihnen ein Herzensanliegen. Welche Ziele haben Sie für die nächsten Jahre? Was wollen Sie für die Bäuerinnen und Bauern erreichen?
Wir haben in einem Zukunftsdialog in Schleswig-Holstein auf Landesebene und in der Zukunftskommission Landwirtschaft auf Bundesebene sehr intensiv mit den Schützer-Verbänden diskutiert und um Ergebnisse gerungen, dass es schade wäre, wenn wir jetzt auseinander gehen und uns wieder in die Schützengräben verkriechen. Mir ist sehr daran gelegen die jeweiligen Ergebnisse umzusetzen, indem wir mit den Schützer-Verbänden z.B. in einen kooperativen Naturschutz einsteigen. Miteinander und nicht gegeneinander.
Die Holländer machen uns mit ihren Umweltkooperativen vor, wie es gehen kann. Daraus sollte am Ende ein Gewinn für den Artenschutz, für die Artenvielfalt, für den Gewässer- und Bodenschutz und vieles mehr entstehen. Am wichtigsten aber sollte daraus ein Respekt für der Arbeit der Landwirtsfamilien und ein Familieneinkommen entstehen, welches den Kindern die Option eröffnet den elterlichen Betrieb einmal zu übernehmen.
Herr Schwarz, ich danke Ihnen für das Beantworten meiner Fragen. Ich wünsche Ihnen, dass ein paar Urlaubstage in diesem Sommer noch für sie rausspringen und weiterhin viel Lust und Freude in Ihrem Engagement für die deutschen Bäuerinnen und Bauern!
Schade, dass der Fragensteller die Kritik vieler Bauern am Abschlussbericht der Zukunftskomission Landwirtschaft nicht thematisiert.
Ich bin vermutlich nicht der einzige, der immer noch gerne wüsste, was Herrn Schwarz geritten hat, in der ZKL z.B. der These zuzustimmen, dass die Landwirtschaft für jährlich 90 Mrd € Schäden verantwortlich sei.
Ja, die 90 Mrd. stößt auf viel Unverständnis unter den Bauern. In dem ZKL-Bericht stehen viele Aspekte drin, die den Protagonisten gefallen bzw. nicht gefallen.
Mehr dazu in diesem Blogpost: https://blogagrar.de/politik/der-offene-brief-die-antwort/