Frau Schulze und die Schuld der Bauern

Gestern demonstrierten zum ersten Mal nach Beginn der Corona-Krise wieder tausende Bauern in ganz Deutschland. Aktueller Anlass die Vorstellung der Naturschutzberichtetes durch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) und der Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) Beate Jessel.
Beide verwiesen als Ursache auf Rückgänge in der Artenvielfalt einseitig auf die konventionelle Landwirtschaft und blendeten dabei andere Ursachen wie Flächenversiegelung komplett aus.

Treckerdemos gegen Schulze und Bauernbashing

Darüber empörten sich viele Landwirte in den sozialen Netzwerken und resultierten in der Wiederbebung der Treckerdemos aus dem letzten Herbst und Winter.

Toller Kommentar bei Facebook:

Bei Facebook ist mir dazu ein lesenswerter Kommentar von Ralf Lachenmaier aus Baden-Württemberg aufgefallen, den ich hier an dieser Stelle mit einigen Ergänzungen und leicht aufbereitet wiedergeben möchte:

“Heute fahren sie wieder zu Demos, die Traktoren. Ein kurzer Faktencheck zeigt – zurecht. Unser BMU hat offensichtlich den Pfad der Tugend verlassen. Der Bericht des Bundesumweltministeriums und des treuen (zum Ressort gehörenden) Handlangers Bundesamt für Naturschutz zum Zustand der Natur sorgten seit letzter Woche für Verwunderung, Trauer, Wut und massives Unverständnis nicht nur bei den Bauern selbst. Grund war die Tatsache, dass man die Entwicklung der Arten auf intensiven landwirtschaftlichen Flächen als dramatisch negativ einstuft und den Landwirten die alleinige Schuld hierfür zuweist + weitere Konsequenzen androht.

Man versucht, mit Kiebitz und Rebhuhn eine von Ideologie geprägte Politik (unter dem Deckmantel der Wissenschaft) bis weit in die EU-Gesetzgebung (Bestandteile des Green Deals) voranzutreiben, die massive Veränderungen für die Bauern, aber auch für Grundstückseigentümer, die Verbraucher und die autarke Ernährungssicherung mit sich bringen würde – inkl. planwirtschaftlicher Elemente.

1. Rebhuhn (Prädation/Fressfeinde)

Dass es noch echte Naturschützer beim NABU gibt, die auch gegen interne Anfeindungen bei ihrem Rebhuhnschutzprojekt angekämpft haben, zeigt die Ortsgruppe Fellbach. Bitte die beiden Füchse bei Nacht auf dem Bild beachten.

zwei Füchse in der Nacht auf der Suche nach Opfern
Klick auf das Bild führt zum lesenswerten Bericht des NABU Fellbach

Eine seriöse Studie der Uni Göttingen kommt zu folgenden, differenzierten Ergebnissen:

Einfluss von Landschaftsstrukturen auf den Prädationserfolg des Fuchses beim Rebhuhn (hier bitte auch das Bild beachten: (Jungfuchs reißt Rebhuhn)

Dabei kommt die Projektgruppe zu einem ganz anderen Ergebnis bzgl. der Bedeutung richtig angelegter Blühstreifen durch Landwirte als vom BMU nun veröffentlicht.

Gottschalk, E. & W. Beeke (2014): Wie ist der drastische Rückgang des Rebhuhns (Perdix perdix) aufzuhalten? Erfahrungen aus zehn Jahren mit dem Rebhuhnschutzprojekt im Landkreis Göttingen

Die gute Nachricht: möglicherweise müssen in naher Zukunft weniger Füchse geschossen werden, da (das ist die schlechte Nachricht für diese Art) die grassierende Staupe für hohe Verluste bei den Füchsen sorgt.

2. Kiebitz (u.a. Prädationsstatistik)

Es wirkt befremdlich, dass oftmals ein paar motivierte Studenten und ein paar Wildkameras ausreichen, um einem Bundesministerium bzw. dessen wissenschaftlicher Behörde das Verschweigen von in Feldstudien generierten Fakten nachzuweisen.

Der Dank gilt hier dem NABU in der Schweiz, der ergebnisoffen diese Präsentation (PDF) veröffentlicht.

3. Bildung

Wohin sind wir gekommen, wenn den Grundschulen ideologisch völlig verzerrte Sachverhalte durch ein Bundesministerium als Lehrmaterial angeboten werden? Im beigefügten Beispiel werden sowohl Streuobstbewirtschafter mit Falschinformationen der Lächerlichkeit preisgegeben als auch konventionelle Obstbauern diffamiert. Das darf so nicht weitergehen.

Eine alte Streuobstwiese wird am besten mit der Hand gemäht und nicht mit dem Traktor, denn der ist viel zu groß, um damit unter den Bäumen durchfahren zu können. Außerdem werden so die Wurzeln der Bäume geschont. Die Obstwiese ist 100 Meter lang und 50 Meter breit. Wie viele Quadratmeter hat die Wiese?
Mähen am Besten mit der Hand, meinen die Sesselhocker aus dem BMU

Schlussendlich noch ein paar Impressionen vom Zustand der Natur inkl. Insekten- und Vogelwelt vom vergangenen Sonntag.”

ein blauer Schmetterling (Bläuling) im Blühstreifen. Aufnahme von Ralf Lachenmaier
ein Bläuling (Aufnahme von Ralf Lachenmaier)

Über Ralf Lachenmaier

Ralf Lachenmaier ist 45 Jahre alt und wohnt in Leutenbach, Baden-Württemberg. Er stammt von einem kleinbäuerlichen Hof, arbeitet aber heute bei einem Zulieferer für die Autoindustrie.
Der elterliche Betrieb wird heute noch im Nebenerwerb von seinem Bruder weitergeführt. Neben dem konventionellem Ackerbau werden Streuobstwiesen nach Bio-Zertifizierung bewirtschaftet.
Ralf Lachenmaier bezeichnet sich selber als Vogelbeobachtungsfan und war lange Zeit Mitglied beim Deutschen Bund für Vogelschutz. Er ist mittlerweile nicht mehr dort Mitglied und nennt den Wolfhype und das zunehmende Bauernbashing als Gründe.

5 comments Add yours
  1. Ich hab mir grad die Broschüre zur Biologischen Vielfalt vom BMU für SchülerInnen der Grundschule durchgeschaut – da kommt einem ja das Graußen! Zum Beispiel Insektizideinsatz im Obstbau…
    Wieder ein Grund mehr, dass wir in die Schulen gehen oder Schüler auf unsere Höfe einladen! Wenn nicht wir, wer dann?
    Durch das Volksbegehren im letzten Jahr, konnte der Bayerische Bauernverband nun endlich durchsetzen, dass in Projektwochen das “Fach” Alltagskompetenzen in den Schulen eingeführt wird. Dafür werden immer noch Bäuerinnen und Bauern gesucht, die sich daran beteiligen. Hier findet ihr nähere Infos: https://www.bayerischerbauernverband.de/kreisverband/muehldorf-am-inn/alltagskompetenzen-schule-fuers-leben-12676

  2. https://www.topagrar.com/management-und-politik/news/welchen-anteil-traegt-die-landwirtschaft-am-artensterben-11531586.html

    Es gibt keinen Satz dazu, dass es Änderungen braucht und natürlich die Landwirtschaft auf 50% der Flächen ihren Teil der Verantwortung an dem Artensterben hat. Und zu glauben, dass chemische Pestizide gar nichts damit zu tun haben, ist doch naiv. Wo bleibt hier der konstruktive Dialog. Die Änderung des zentralen Satzes in der Offensive Nachhaltigkeit zeigt das Problem. Der neue Satz ist so allgemein, dass man alles und nichts daraus lesen kann: Wir müssen uns dort verändern, wo unsere Art und Weise der landwirtschaftlichen Erzeugung dazu beiträgt, dass Boden, Wasser, Luft, Pflanzen und Tiere sowie Elemente der Kulturlandschaft geschädigt werden. Da war der WLV vor einigen Jahren schon weiter.

  3. Hallo Bernhard,

    im NABU Beitrag hinter dem link im Fuchs-Nachtfoto in Deinem Rebhuhn-Beitrag kann ich keinen Hinweis auf intern Anfeindungen beim NABU finden. Auch wird das Foto dort nicht als Beleg für ein Prädationsproblem herangezogen. Ich bin irritiert, dass ich nach Deiner Lektüre in dem NABU Beitrag diese beiden Punkte anders lese.
    Objektiv gibt es ein Prädationsproblem, insbesondere während der Brutzeit und den ersten vier Wochen nach dem Schlüpfen. Aber in dem NABU Beitrag steht das nicht. Im GEgenteil “Verluste durch Beutegreifer seien relativ selten.”

    1. Hallo Gunnar Breustedt,
      da schwingt noch etwas regionales Insiderwissen mit. Das Bild mit den Füchsen war mir wichtig. Ein Bild sagt ja oft mehr als tausend Worte und es sollte keine Linkschlacht werden.
      Hier finden Sie z. B. einen Artikel, der deutlich auf die Anfeindungen und das Zahlenverhältnis Fuchs zu Rebhuhn eingeht.
      https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.interview-nach-fuchsjagd-steht-der-nabu-im-kreuzfeuer.19a18177-7b0d-462a-bdcb-e96dce32bd11.html
      Im letzten September wurden wieder 15 Rebhühner im Gebiet Schmidener Feld gezählt.
      https://www.ogbw.de/images/ogbw/files/oag/oag_rems_murr/Berichte/Ornithologischer_Rundbrief_Rems-Murr-Kreis_0114_2019_SEP.pdf
      Im Vorjahr gab es einen Zwischenbericht zur Zusammenarbeit von NABU, Jägern, Landwirte und Stadt.
      https://www.swp.de/suedwesten/staedte/gaildorf/fellbach-rebhuhn-saat-landwirtschaft-31515542.html
      Es gibt noch diverse interessante Quellen, die den Zusammenhang Beutegreiferkontrolle und Bestandsentwicklung beim Rebhuhn zeigen.
      Kernsatz aus einem Aufsatz des Landesjagdverbandes Bayern:
      “In Phasen dreijähriger Beutegreiferkontrolle stieg der Herbstbesatz (September) bezogen auf den
      jeweiligen Frühjahrsbesatz von etwa 100 % auf bis zu 350 % an. Dagegen nahmen die Frühjahrsbesätze während der Kontrollzeit kaum zu (Tapper et al. 1996).”
      https://www.jagd-bayern.de/wp-content/uploads/2019/01/BJV_WTM4_03_Rebhuhn_V03.pdf

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