Guten Morgen liebe Frau Bundesumweltministerin Svenja Schulze

Kurze Einordnung einer neuen Pestizidstudie und dem darauffolgenden kollektiven Versagen vieler Medien und warum das ein Problem für die gesamte Gesellschaft ist.

Ach was ödet mich mittlerweile diese künstliche Empörung von UmweltNGOs an, wenn diese mal wieder eine neue Studie der Öffentlichkeit präsentieren. Ich habe das Theater darum heute am Rande verfolgt, wollte mich aber eigentlich gar nicht dazu äußern. Aber irgendwann wurde es mir einfach zu viel- beziehungsweise zu wenig: Zu viel Hysterie, zu viel Nachgeplappere und zu wenig Einordnung in der Medienlandschaft.

Also, was ist überhaupt passiert?

Es begann heute morgen mit einer Pressekonferenz des “Umweltinstituts München” das eine gewisse Nähe zur seriösen Wissenschaft mit seinem Namen suggerieren möchte, aber in Wirklichkeit nur ein Umwelt-Lobbyverein ist, dem wissenschaftliche Evidenz eher fremd zu sein scheint. In dieser PK sollte eine Studie zur “Pestizidbelastung der Luft” vorgestellt werden. Mit dabei: Bundesumweltministerin Svenja Schulze.

In einem Tweet brachte das Umweltinstitut seine Freunde über den prominenten Gast zum Ausdruck. Dieser Termin muss der Ministerin wirklich wichtig gewesen sein, wenn sie an Ihrem Geburtstag für diese Veranstaltung Zeit hat.

Die wichtigste Botschaft auf dieser PK: Pestizide lassen sich überall nachweisen.

Die Umweltministerin nahm die Studie mit Sorge entgegen und versprach, sich “weiter für mehr Ökolandwirtschaft und weniger Pflanzenschutzmittel einzusetzen“.

Die Presse springt natürlich prompt auf dieses Thema an, selbst die Tagesschau berichtete tagsüber die Verbreitung der Pestizide.

Im Deutschlandfunk wurde in der Sendung “Umwelt & Verbraucher” eine Reportage über die Studie gesendet, die inklusive der Anmoderation ein eindeutig alarmistisch rüber kam.

Reportage im DLF (Umwelt und Verbraucher)

Hier wurde zwar ganz kurz auch darauf hingewiesen, dass die Konzentrationen der Pestizidfunde sehr gering und keine negativen Auswirkungen zu erwarten seien, doch direkt danach wurde wieder über Probleme und Gefahren spekuliert. Eine Einordnung fand – wie bei der Tagesschau- auch leider im Deutschlandfunk gar nicht statt.

Auf die fehlende Einordnung und dem fehlenden Faktencheck verwies auch Ludger Weß in einem kurzen Twitterthread. Er bezog die dpa, das ZDF und den SWR in seine Kritik ein:

In diesem Thread kritisiert Wissenschaftskommunikator Ludger Wess nicht nur die Berichterstattung, sondern auch die Studie des Umweltinstituts selber. Doch mit Kritik kann der Umweltlobbyverein nicht umgehen und reagiert mit Blockade, die auch viele weitere Twitteruser getroffen hat:

Twittermitteilung: "Umweltinstitut hat Dich blockiert"
Und nun? Was ist denn nun eigentlich dran an den Vorwürfen? Ist der Alarm nicht vielleicht doch berechtigt?

Sabine Leopold von Agrarheute hat in diesem Artikel die Debatte und Wortmeldungen dazu gut zusammengefasst:

Am Ende ihres Artikels benennt Leopold große Parallelen zum “Glyphosat-Bier-Skandal“:

Trotz dieser Kritikpunkte hat die Pressekonferenz in Berlin ihre Wirkung wohl nicht verfehlt. Glyphosat in der Atemluft wird sich ebenso gut verkaufen wie im Jahr 2016 die Horrormeldung zu Glyphosat im Bier – ebenfalls in die Öffentlichkeit getragen vom Umweltinstitut München.

Damals waren die Nachweismengen so unglaublich gering, dass für eine Anfangsgefährdung ein Konsum von rund 1.000 l Bier am Tag notwendig gewesen wäre. Die Schlagzeilen machten den überwiegend durch Spenden finanzierten, als gemeinnützig anerkannten Verein dennoch über Nacht bekannt.

Sabine Leopold, Agrarheute

Ein Wiederholungsfall

Das Schlimme an dieser Farce, so möchte ich die Berichterstattung vieler Medien nennen, ist, dass es ein Wiederholungsfall ist und aus den Fehlern trotz vieler Vorsätze einfach nicht gelernt wird.

Was bleibt?

  • Das Umweltlobbyinstitut wird durch die neuerliche Aufmerksamkeit Spenden und neue Fördermitglieder gewinnen können. Die Masche zieht, es wird also sicherlich eine Nachfolgekampagne/Studie aufgelegt. Nach Glyphosat im Bier und Pestiziden in der Luft dürfte eigentlich nicht mehr viel gehen. Wir dürfen gespannt sein, was danach kommt.
  • Die konventionelle Landwirtschaft wird weiterhin (oder sogar zunehmend?) kritisch beäugt werden. Das Image von notwendigen Pflanzenschutzmaßnahmen sinkt weiter. Zugleich wird das Wegwerfen von Lebensmitteln beklagt und nur einwandfreie Ware eingekauft.
  • Eine verunsicherte Bürgerschaft, die Gefahren nicht richtig einordnen kann, weil die Medienlandschaft allzu gerne auf dem Alarmknopf drückt und damit kurzfristig Klicks und Reichweite erntet.

Vielleicht ist es das, was uns allen am meisten Sorge bereiten sollte: Die verunsicherten Bürger, denen es immer schwerer fällt, Gefahren realistisch einzuschätzen. Verunsicherte Bürger, die förmlich Angst vor Pestiziden in der Umwelt haben und gleichzeitig eine Maske zum Schutz vor dem Corinna-Virus ablehnen. Bürger, die sich niemals impfen lassen würden und stattdessen auf “Alternativ-Medizin” schwören.

So gut, wie ganz viele Journalisten und Medienhäuser rund um das Corona-Virus berichten und informieren, so schlecht ist leider die Berichterstattung rund um die konventionelle Landwirtschaft und um die Ernährung. Mit den Worten von Willy Brandt wünsche ich mir:

Weniger Ideologie wagen!

Wunsch von Bernhard Barkmann über landwirtschaftliche Debatten

Das gilt ganz besonders auch für unsere Politiker. Bundesumweltministerin Schulze hat sich hier vor einem ideologischen Karren spannen lassen und verstärkt damit die Aufmerksamkeit in Medien und Bevölkerung für diese Studie, die sie eigentlich nicht verdient hat!

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