Warum der FDP-Antrag “Wettbewerbsfähige Landwirtschaft” die Aufregung nicht wert ist und Bauer Willi klasse Arbeit geleistet hat

Eine emotionale Woche ist für Deutschlands Landwirte zu Ende gegangen: Eure Demo gegen Agrarpaket und Mercosur-Handelsabkommen, gegen das Bauern-Bashing seitens NGOs und teils Politik war ein großartiger Erfolg! Meine aufrichtigen Glückwünsche nachträglich an die Organisatoren für Eure Herkulesarbeit und an die vielen Bauern, die so klasse ihre Anliegen vertreten haben!

So euphorisch die Woche begonnen hat, so missgestimmt ging sie zuende. Stichwort: FDP-Antrag „Wettbewerbsfähige Landwirtschaft“. Und auch zwischendurch gab es Misstöne. Einen bösen hat sich Bauer Willi eingefangen.

Persönlich fand ich die Wut über den Antrag verständlich, aber übers Ziel hinausschießend. Er war es schlicht und ergreifend nicht wert! Bzw. in dem Maße, in dem man sich über die Ablehnung die Unionsparteien aufregen mag, hätte man auch der FDP einen überziehen müssen. Mindestens. Und was mit Bauer Willi veranstaltet wurde, war schlicht und ergreifend nicht in Ordnung.

Zu beiden möchte ich mich hier äußern und fange mal mit A wie Antrag an:

FDP-Antrag „Wettbewerbsfähige Landwirtschaft“

Wie alles begann: Die Landwirte Thomas Andresen und Philip Krainbring haben mit einem vielfach geteilten, an dieser Stelle verlinkten Video-Rant auf das Abstimmungsverhalten der CDU reagiert. Diese hatte geschlossen gegen den FDP-Antrag “Wettbewerbsfähige Landwirtschaft” gestimmt.

BlogAgrar-Betreiber und Landwirt Bernhard Barkmann ist mit dem Gesagten nicht d’accord gegangen und hat mit obigem Video geantwortet. Es ist etwas lang, aber unbedingt hörenswert. Darüber hinaus macht sich Bernhard Gedanken darüber, wie es nach dem Erfolg vom 22. Oktober weitergehen soll. Spoiler: Das Teilen toller Demo-Photos bringt mittelfristig keinen weiter. Und es wird höchste Zeit, vernehmlich Position zur AfD zu beziehen. 

Mein Senf zur Politwurst

Photo Bild Verhüllter Reichstag
Hinter die Kulissen schauen!
(Der verhüllte Reichstag, Christo und Jean Claude, Copyright Christina Annelies)

Denn das ist der Antrag im Grunde genommen: ein Würstchen. Allerdings mit dem Potenzial, Euch zu spalten. Zumindest ist dies mein Eindruck, den ich nach dem Querlesen von Facebook- und Twitter-Reaktionen gewonnen habe. Dass das Abstimmungsergebnis den Eindruck erweckt, die „Bauernpartei“ verweigere Euch eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft, sei unbenommen. Dass Ihr deswegen sauer seid, ist absolut nachvollziehbar. Es öffnen sich allerdings unschöne Gräben innerhalb des Berufsstandes, die sich aus der Bewertung des Antrages ergeben.

Er ist es aber nicht wert! Denn:

Beim Querlesen bin ich auf diverse Stimmen gestoßen, die sich im Politgeschäft auskennen. Diese beurteilen den Antrag als cleveren FDP-Schachzug, die Unionsparteien vorzuführen. Bevor ich jetzt im Text fortfahre, sei an dieser Stelle erwähnt, dass ich den Einsatz unter anderem von Hermann Grupe, Gero Hocker und Carina Konrad, beide FDP, für Euch Landwirte ganz große Klasse finde. Ich möchte meine Äußerungen auf keinen Fall als mangelnden Respekt oder fehlende Anerkennung verstanden wissen!

ABER! Der Punkt ist: Die CDU musste gegen den Antrag stimmen! Jeder, der in der Haut der Abgeordneten gesteckt hätte, hätte es getan. Ihr vermutlich auch.

Hier die Gründe:

  • [Zitat nachträglich auf Wunsch des Zitiertem gelöscht]
  • Bei einer Zustimmung wäre die die Koalition mindestens in Gefahr geraten, wenn nicht sogar geplatzt.
  • CDU-Politikerin Gitta Connemann hat sich mit einem Video zu Wort gemeldet, das ich hier verlinke. Sie erläutert ausführlich, dass das, was im FDP-Antrag gefordert wird, seitens der Unionsparteien bereits angeschoben wurde. Aus Unionsperspektive gab es also handfeste Gründe, den Antrag abzulehnen.
  • Dies alles ist vor dem Hintergrund zu werten, dass Thüringen am Sonntag einen neuen Landtag gewählt hat. Es war – Wahlkampf!

Bauern im Bundestag

Ihr seid also mit Euren tollen Aktionen, dem leisen Protest #GrüneKreuze und der lauten Demo „Land schafft Verbindung“ holterdipolter mitten im Berliner Bundestag gelandet. Sprich Ihr seid im Zentrum politischer Strategiespielchen aufgeschlagen.

Lasst Euch davon nicht beeindrucken! Euer gemeinsames Ziel ist, das Agrarpaket vom Tisch zu holen. Der Antrag ist in dem Kontext – irrelevant!

Übrigens, falls irgendjemand glaubt, die AfD sei die Lösung aller Probleme: Die Blauen sind Meister, Ihr Landwirtschafts-Mäntelein gepflegt in den Wind zu hängen. Und ganz besonders vor Wahlen. Siehe dazu die Links:

Glyphosat-Verlängerung ist ein Skandal!
Protschka: AfD-Fraktion bringt Antrag zur wirksamen Reduktion des Einsatzes chemischer Pflanzenschutzmittel ein.

Politik ist komplex

Jetzt mag man frustriert meinen: Politik ist ein schmutziges Geschäft. Aber das greift viel zu kurz. Es ist ein eigenes Universum. Politisches Handeln findet oft auf der Basis von Rahmenbedingungen statt, über die wir oft nicht oder nur kaum im Bilde sind. Die Spielregeln des Politibetriebs sind uns fremd. Kompromisse oder Einigungen werden ausgehandelt, die wir nicht nachvollziehen können, weil wir nicht alle Informationen zur Verfügung haben. Überhaupt muss so gut wie alles ausgehandelt werden. Nichtsdestotrotz brauchen wir Wähler längst nicht nicht alles gut finden, können und sollen zu Beschlüssen, Partieprogrammen und einzelne Punkte Position beziehen bzw. für Änderungen kämpfen.

Worauf ich hinaus will? Angesichts einer angeschlagenen Diskussionskultur wünsche ich mir, dass, wenn Ihr Euch mit Politikern und ihren Politikmaßnahmen auseinandersetzt, ihnen bei Facebook, Twitter oder auf analogem Wege Kommentare hinterlasst: Seid beinhart in der Sache, aber respektvoll im Umgang!

Wird Kritik an Politikern unverhältnismäßig (und in den Sozialen Medien, in die sich ein Teil der politischen Kommunikation verlagert hat, ist das der Fall): Wer wird dann noch Politiker? Um mit Zeit-Journalist Jochen Bittner zu sprechen:

“Empathielose Gestalten, denen völlig egal ist, was andere über sie denken. Radikalismusverliebte Krawallos. Oder Konformisten, die alles wollen, nur nicht anecken.”

B wie: Bauer Willi hat Ergebnisse

Was hat Bauer Willi angestellt? Am 22. Oktober, dem Tag der Demo also, mit Ministerin Julia Klöckner geredet.

Bauer Willi und Julia Klöckner sitzen an einem Tisch
So sieht Dialog aus: Bauer Willi im Gespräch mit Ministerin Klöckner

Er hat das gemacht, was Ihr alle fordert: Dialog. Der Termin stand vor der Demo fest, und es wäre kindisch gewesen, dieses Date aufzukündigen. Julia Klöckner ist Landwirtschaftsministerin. Abgesehen davon, dass Ministertermine wahrlich nicht vom Himmel fallen, ist nun mal Fakt: Wenn Ihr das Agrarpaket vom Eis haben wollt, kommt Ihr um Gespräche mit ihr nicht herum.

Plus: Einer der Euren hat in einem ruhigen Gespräch mit der Ministerin Euer aller Anliegen vertreten. Das ist bitter nötig! Wie ist noch mal Euer Motto?

„Was einer nicht kann, können viele“!

Genau! Und es führen nun mal viele Wege nach Rom.

Was ist nach dem Gespräch geschehen? Soweit ich seinem lesenswerten Blogpost „Nichts Neues – aber neue Erkenntnisse“ entnehme, ist Bauer Willi bis dato der einzige, der mit einem konkreten Ergebnis aufwarten kann: Im BMEL wird man Euch keinen Millimeter entgegenkommen. Auf Hochdeutsch:

Werte Landwirte, Ihr könnt Eure Schlepper wieder startklar machen!

Nebenbei hat Bauer Willi auf der Grundlage dieses Gespräches eine exzellente, ungeschminkte Bestandsaufnahme der Gründe verfasst, warum Ihr auf die Straße geht. Diese sind eher spärlich gesät, und er hat eine große Reichweite!

Ich finde, Bauer Willi hat ein Dankeschön verdient. Und von dem einen oder anderen auch eine Entschuldigung. Er ist teils übel angegangen worden: “Termin stand lange fest: Klöckner wollte mit Bauer Willi sprechen.” Als jemand, der seit Jahren pro moderne Landwirtschaft in den “Asozialen Medien” diskutiert und sich gefallen lassen muss, dafür hektoliterweise mit Gülle übergossen zu werden, schwillt mir der Kamm:

Respekt!

Im Internet geht es äußerst ungemütlich zu. Ich nehme mal stark an, dass die wenigsten von Euch bis dato auch nur annähernd so dreckige Schlachten geschlagen haben wie Bauer Willi. Und zwar für EURE Anliegen. Dafür hat Bauer Willi grundsätzlich Respekt verdient. Zum einen. Wer seine Positionen nicht gut findet – völlig in Ordnung! Aber man kann Kritik auch sachlich anbringen. Daher: Hart in der Sache – aber respektvoll im Umgang!

Übrigens: Wichtige Schlachten um die Zukunft einer wettbewerbsfähigen Landwritschaft werden im Internet ausgetragen. Wer das bis jetzt noch nicht kapiert hat, nehme es bitte hier und heute zur Kenntnis! Ich übertreibe nicht: NGOs wie der BUND oder NABU sind so erfolgreich, weil sie das Potenzial früh erkannt haben und für sich ausnutzen.

Vergällt Euch nicht Eure Kollegen, die im Netz das Heft des Handelns in die Hand genommen haben!

4 comments Add yours
  1. Wahre Worte treffend formuliert , Bernhard Barkmann!
    Im Kommentar wurde das eigentliche Anliegen der Bauern treffend zusammen gefasst.
    Bei der Misere kann man leicht nach rechts abdriften. Um so mehr gilt es auf zu passen und auch der Ausspruch „wehret den Anfängen“ ist an dieser Stelle treffend!
    Den Einsatz von Bauer Willi für die Landwirtschaft im allgemeinen und für alle Landwirte zolle ich meinen aufrichtigen Respekt . DANKE dafür !

  2. Liebe Frau Annelies, das ist aber eine sehr einseitige Darstellung der Dinge und eine Gut und Böse – Aufteilung, die man so nicht stehen lassen kann.
    Ich möchte mich nicht lange mit Bauer W. aufhalten aber nur so viel, dass er in seinem ganzen Bloggerleben nicht einmal erklärt hat, wie es Bauern geht. Dafür gibt es einen Grund: Er weiß es nicht. Groß geworden ist er mit dem Zug Kartoffeln des Nachbarn und der Beschimpfung des Verbrauchers (Auch neusten Spiegel lesen).

    Heute sollen Verbraucher mit einem leisen Protest umgarnt werden, was natürlich erfolglos bleibt.

    Nun Klartext: Bauern geht es dreckig!! Bauern dürfen Dampf ablassen – laut und deutlich wie aus Schleswig Holstein geschehen. Diese geradlinigen Bauern haben es nicht verdient mit der AfD andeutungsweise in Verbindung gebracht zu werden, nur weil Herrn Barkmann der Ton nicht passt.

    Gewinnen und verlieren können wir „Bauern die noch nicht im Rentenalter sind” nur zusammen. Unser einziges und letzte Mittel ist der laute friedliche Protest der nicht klein geredet werden sollte. Es dauert manchmal bis sich eine Regierungsseite bewegt.

    Bis dahin sollten solche Querschüsse von den Graswurzlern unterbleiben oder wenigsten nicht öffentlich ausgetragen werden.

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